Bad Bellingen Die Erinnerung bewahren

Weiler Zeitung
Seit rund 30 Jahren restaurieren Doris und Peter Spechtenhauser Puppen, Teddys und andere Spielsachen. Fotos: zVg Foto: Weiler Zeitung

Spielzeug-Restauration: Doris und Peter Spechtenhauser richten ihre mobile Puppenklinik im Kurhaus ein

Von Claudia Bötsch

Eine besondere Sprechstunde wird in Bad Bellingen angeboten: Doris und Peter Spechtenhauser aus Seewald richten im Kurhaus ihre mobile Puppenklinik ein. Dort „verarzten“ die beiden Puppendoktoren ausgehängte Arme und Beinchen und helfen auch bei eingedrückten Köpfen und verlorenen Augen.

Bad Bellingen. Ein Arztgeheimnis gibt es nicht: Den Puppendoktoren darf über die Schulter geguckt werden. Die leichten Fälle werden gleich verarztet, schwer „verletzte“ Patienten nehmen die Spechtenhausers mit in ihre Puppenklinik und bringen diese auch wieder zurück.

Es sind überwiegend ältere Menschen, die die Puppenrestauratoren aufsuchen. Gerade die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen möchten ihre Kindheitserinnerungen erhalten und bewahren, wissen Doris und Peter Spechtenhauser, die seit rund 30 Jahren Puppen, Teddys und andere Spielsachen restaurieren.

Die Kinder von damals hätten meist nur eine Puppe zum Spielen gehabt – die Verbundenheit und der ideelle Wert seien dementsprechend groß, meint Doris Spechtenhauser im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie verweist etwa auf eine Kundin, deren Mutter Kartoffeln eintauschen musste, um der Tochter eine Puppe kaufen zu können.

Für diese Menschen sei die Puppe mehr als nur ein Spielzeug: „Für sie ist sie ein wertvoller Lebensbegleiter.“ Das belegen die vielen Geschichten, die die Puppendoktoren in all den Jahren schon gehört haben. „Viele davon sind mit dem Krieg verbunden“, erzählt Doris Spechtenhauser. Sie kennt Geschichten von alten Frauen, die als kleine Mädchen im Schutzbunker saßen, die Puppen fest an sich gedrückt. Oder von Vertriebenen, die als Kinder auf ihrer Flucht nur das Wichtigste mit sich trugen – und die geliebte Puppe. „Sie hat Trost gespendet und durch schwere Zeiten geholfen.“

Eine Frau, die ihre Puppe zur Reparatur brachte, erzählte, dass das Spielzeug ihr sogar das Leben gerettet habe. In den Kriegswirren habe sie eine Kugel abbekommen – die Puppe, die sie trug, habe sie vor Schlimmem bewahrt. „Die Puppe war überall dabei“: Dieser Satz sei schon sehr oft gefallen.

„Für diese Menschen ist es sehr wichtig, ihre Puppen zu erhalten“, wissen Spechtenhausers. Auch weil sie die Spielgefährten teilweise an die nächste Generation weitergeben wollten. Diesen Personen falle es oft auch schwer, ihr Spielzeug in fremde Hände zu geben. „Viele, die zu uns kommen, sagen, dass sie ihre Puppe nicht einfach irgendwo hinschicken könnten.“

In der Puppenklinik landen oft Puppen, die um die 100 Jahre alt sind. „Der Puppenmarkt war um 1900 sehr vielfältig“, so Doris Spechtenhauser, während in den 1950er Jahren Schildkröt Marktführer war, eine der ältesten Puppenmanufakturen der Welt.

Aber auch junge Leute kommen in die Puppenklinik, um ihre Spielgefährten wieder herrichten zu lassen, „weil man eine Puppe nicht einfach so austauschen kann“.

Dass Menschen sehr stark mit ihrem Spielzeug verbunden sind, gebe es bis heute, sagt Doris Spechtenhauser. Das gehe soweit, dass eine Reparatur möglichst sofort erfolgen müsse, weil ein kleines Kind nicht eine Nacht von der geliebten Puppe getrennt sein will. Anders sei heute jedoch: „Die Kinder hören früher auf zu spielen. Der Computer ersetzt dann die Puppe.“

Meist sind es Frauen, die ihre Puppen reparieren lassen. Es kommen aber auch Männer – ganz nach Klischee – mit ihrem Teddybär. „Mancher schämt sich aber auch und schickt seine Frau“, berichtet Spechtenhauser mit einem Schmunzeln.

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