Von Claudia Bötsch Bad Bellingen. Der Vorwurf mangelnder ärztlicher Präsenz, Krankenkassen, die Druck machen, ein Chefarzt, gegen den die Mannheimer Staatsanwaltschaft ermittelt, und eine Klinikleitung, die jede Presseanfrage abblockt: Die Rehaklinik Sankt Marien steht derzeit alles andere als in einem guten Licht da.Während die Rehaklinik früher drei festangestellte Ärzte beschäftigte, ist heute offenbar nur noch ein Arzt für die Patienten da: Peter Paul Gardosch von Krosigk. Da die Krankenkassen eine ständige ärztliche Präsenz vorschreiben, müsste er rund um die Uhr im Einsatz sein. Stellung nimmt die Klinikleitung dazu nicht. Weder Geschäftsführer Fred Vock noch sein Geschäftspartner von Krosigk, der seit Januar die ärztliche Leitung innehat und zuvor Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Hochrhein-Eggberg-Klinik in Bad Säckingen war, äußern sich. Wiederholte Anfragen von unserer Zeitung liefen ins Leere. Antworten fordern jetzt aber auch Krankenkassen und Verbände. Die Landesverbände der Krankenkassen und der Verband der Ersatzkassen haben die Rehaklinik vor gut einer Woche gemeinsam dazu aufgefordert, „zu den massiven Engpässen beim ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Personal“ Stellung zu nehmen. Dabei geht es vor allem auch um den Vorwurf, dass am Wochenende kein Arzt im Haus sei. Sollten nachweisbare Vertragsverstöße vorliegen und die Einrichtung diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist beseitigen, wäre die Vertragskündigung die letzte Konsequenz. Klinikleitung schweigt zu den Vorwürfen „Wir hoffen, dass die Sache schnellstmöglich geregelt wird und erwarten bis nächste Woche eine ausführliche Stellungnahme“, meinte Walter Scheller, Leiter des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK) in Baden-Württemberg, im Gespräch mit unserer Zeitung. Bis dato habe man noch keine Reaktion der Klinik erhalten, der man indes, wie üblich, „Möglichkeiten zur Nachbesserung“ einräumen würde. Eine Erklärung wird in diesem Zusammenhang auch bezüglich der Urlaubs- und Vertretungsplanung verlangt. Erschwerend kommt hier hinzu, dass im vergangenen Jahr ein Vertrag mit der benachbarten Seidel-Klinik für Bereitschaftsdienste von Seiten der Rehaklinik St. Marien gekündigt wurde. Bis dato konnten die Ärzte der Seidel-Klinik nachts und am Wochenende gerufen werden. Die gemeinsam geforderte Stellungnahme wird von der AOK, IKK, BKK und dem VDEK getragen. Von Krosigk ist offenbar seit Januar ärztlicher Leiter an der Rehaklinik St. Marien. Der studierte Mediziner hat viele Jahre nicht mehr als Arzt praktiziert. Vielmehr war er als Gesundheitsmanageger und auch als Fernsehdarsteller tätig. Zudem ist er wohl kein Orthopäde – obgleich St. Marien eine orthopädische Rehaeinrichtung ist. Bei der Ärztekammer Südbaden sei er nicht bekannt, wie es auf Anfrage unserer Zeitung heißt. Fakt ist indes, dass er sich dort spätestens einen Monat nach Tätigkeitsbeginn als Mitglied hätte melden müssen. Gegen Chefarzt ermittelt Mannheimer Staatsanwaltschaft Die Umstände zum Wechsel von Gardosch von Krosigk an die Rehaklinik St. Marien gaben auch Anlass zu manchen Spekulationen. Rückblick: Im Jahr 2010 haben von Krosigk und Fred Vock die „Deutsche Kliniken Holding“ (DKH) in Hamburg gegründet. 2011 hat die DKH dann St. Marien in Bad Bellingen und die inzwischen insolvente Hochrhein-Eggberg-Klinik in Bad Säckingen vom kommunalen Klinikenverbund aus Singen übernommen. Fred Vock wurde Geschäftsführer von St. Marien, von Krosigk Geschäftsführer in Bad Säckingen. Im Juni 2013 musste letztere Insolvenz anmelden. Die Staatsanwaltschaft Mannheim, Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität, ermittelt seitdem gegen Gardosch von Krosigk. Dabei geht es um den Verdacht der Insolvenzverschleppung, außerdem um den Verdacht des Vorenthalts von Arbeitsentgeldern für die Sozialkassen, wie Peter Lintz, Pressesprecher und erster Staatsanwalt, auf Nachfrage unserer Zeitung mitteilt. Die Staatsanwaltschaft Waldshut hatte das Ermittlungsverfahren an die Mannheimer Kollegen abgegeben, da dieses als „wirtschaftliches Großverfahren“ eingestuft wurde, so Lintz. Nach der Insolvenz der Bad Säckinger Klinik war auch St. Marien in die Schlagzeilen geraten. Die Rede war von Zahlungsrückständen und verspäteten Gehaltszahlungen, auch über eine drohende Insolvenz wurde spekuliert. Damals widersprach die Klinikleitung den Vorwürfen einer finanziellen Schieflage. Allerdings scheint die Klinik weiterhin mit sinkenden Patientenzahlen zu kämpfen zu haben. Hinter vorgehaltener Hand spricht man im Kurort bereits vom „Wunder von Bad Bellingen“. Dahinter stehe das Unverständnis, warum und wie eine Klinik, „die offensichtlich im defizitären Bereich arbeitet, weiterhin ihren Betrieb aufrechterhält“, wie unserer Zeitung zugetragen wurde. Das Wunder von Bad Bellingen" Mit Sorge verfolgen auch die anderen Kliniken im Ort die Entwicklung. So würden die ungewissen Verhältnisse bezüglich der finanziellen Situation und des Personals mittlerweile negativ auf den gesamten Gesundheitsstandort Bad Bellingen ausstrahlen, meinte Ralf Baumann, kaufmännischer Direktor der Seidel-Klinik, gegenüber unserer Zeitung. Man habe seit einigen Monaten große Probleme damit, Personal zu finden. Der Grund sei: Mögliche Bewerber seien bereits abgeschreckt, wenn sie in Stellenausschreibungen Bad Bellingen lesen, so Baumann.