Nadolnys neuestes Buch „Weitlings Sommerfrische“ hat dieses Spiel mit der Zeit überdeutlich im Fokus. Ein alternder Richter a.D. gerät mit seinem Segelboot auf dem Chiemsee in einen Sturm und wird dabei in seine Vergangenheit als junger Mann katapultiert. Ein Blitzschlag hat diese Wandlung ausgelöst. Die Geschehnisse, die der nun zum Beobachter gewordene Richter a.D. als körperloser Geist begleitet, münden später wieder in eine Realität, die sich nur haarscharf von der erwarteten unterscheidet: er ist Schriftsteller, dicker als vorher und hat eine Tochter, die er bisher nicht kannte. Seine Frau Astrid ist zum Glück die gleiche; aber es hätte ja auch ganz anders kommen können, in einem anderen Leben, auf einem anderen Kontinent, in anderen Verhältnissen.
„Weitling“ kommentiert die Handlung mit dem welthaltigen Humor eines sehr Erfahrenen, immer wieder springen kleine Lachfontänen im Publikum auf. Diese gelöste Stimmung beflügelt dann auch das anschließende Resümee, in dem Rüdiger Safranski, der Leiter und Organisator der Literaturtage, gemeinsam mit dem Schriftsteller sinniert über die Rolle der beiden Gehirnhälften, der logischen und der verschwommenen, über die Ecke, „in der das Ewige nistet“, über das Noch-Nicht der Zukunft und das Nicht-Mehr der Vergangenheit. Spielerisch und doch todernst, denn der Tod ist der Zielpunkt, auf den alles Leben zusteuert.