Basel Aus Besetzung wird Volksbewegung

Die Oberbadische
Wie hier in Beznau demonstrierten Atomgegner vor 40 Jahren in Kaiseraugst, wo ein Reaktor gebaut werden sollte. Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Rückblick: Aktivisten besetzen Baugelände des AKW Kaiseraugst / Geburtsstunde der Anti-AKW-Bewegung

Kaiseraugst (sda). Es ist ein kalter und feuchter Osterdienstag, der 1. April 1975. Rund 500 Atomkraftgegner besetzen das Gelände des geplanten AKW in Kaiseraugst, direkt vor den Toren Basels. Nach elf Wochen war die Besetzung vorbei, die als Geburtsstunde der Anti-AKW-Bewegung gilt.

Die Politik begrub das AKW-Projekt 1988, an dessen Ende die Energiewende steht. Die Gewaltfreie Aktion Kaiseraugst (GAK) kündigte die Besetzung nur zwei Tage im Voraus an. Das Motto lautete: „Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv.“ Es war eine Protestaktion, Jahrzehnte bevor es Internet oder Smartphones gab, um die Menschen zu mobilisieren. Die GAK-Aktivisten profitierten vom Überraschungseffekt, die Bauherren veranlasste die Aktion, die Bauarbeiten vorläufig einzustellen.

Die Aktivisten stießen in der Region Basel – anders als im Standortkanton Aargau – auf breite Unterstützung. Am ersten Sonntag nach der Besetzung reisten 15 000 Demonstranten an, das war der Anfang einer Volksbewegung. Tausende von Bewohnern der Region engagierten sich in Bürgerinitiativen gegen das AKW, Hunderte waren ständig auf dem besetzten Gelände anwesend. Auf politischer Ebene unterstützten die Kantonsparlamente beider Basel die Opposition gegen das AKW. Am 11. Juni 1975 beschloss dann eine von rund 3000 Personen besuchte Vollversammlung den Abbruch der Besetzung. Zuvor hatte eine Vermittlerdelegation von SP-Nationalräten die Zusicherung von Bundesrat Willy Ritschard erreicht, eine Besetzergruppe zu Verhandlungen zu empfangen.

Die Besetzung des Baugeländes gilt bei Gegnern der Atomenergie als Geburtsstunde einer Volksbewegung, als Vorläuferin der politischen Öko-Bewegung. So liegt es fast auf der Hand, dass am kommenden 1. April in Basel die „Dokumentationsstelle Atomfreie Schweiz“ ihre Arbeit aufnimmt. Die private Institution sammelt Dokumente der Bewegung. Sie will nach einen Angaben einen Beitrag leisten zur Diskussion über die Energiewende und den Atomausstieg.

Auch der ehemalige Direktor der Kernkraftwerk Kaiseraugst AG, der frühere Aargauer FDP-Nationalrat Ulrich Fischer, dokumentierte seine Erinnerungen. Es sei für ihn nicht verständlich gewesen, dass der Staat bei der Besetzung nicht eingegriffen habe, sagte er.

Das AKW Kaiseraugst bestand nur auf dem Papier und wurde politisch zu Grabe getragen. Zwar hatten sich der Ständerat und der Nationalrat für den AKW-Bau ausgesprochen, doch dann ereignete sich im April 1986 die Atomkatastrophe in Tschernobyl in der Ukraine. Langsam wuchs die Einsicht, dass sich der Bau eines neuen AKWs in der Schweiz politisch kaum durchsetzen lässt. Die bürgerlichen Parteien FDP, CVP und SVP schwenkten um. Sie reichten in der Bundesversammlung einen parlamentarischen Vorstoß ein. Der Nationalrat stimmte im Herbst 1988 zu, der Ständerat folgte. Eine treibende Kraft hinter dem Ausstieg aus dem Projekt war Christoph Blocher von der SVP. Als letzter Schweizer Atomreaktor nahm das AKW Leibstadt im Aargau Ende 1984 den kommerziellen Betrieb auf. Als erste Anlage vom Stromnetz soll2019 das AKW Mühleberg im Kanton Bern gehen.

Und die Standortgemeinde Kaiseraugst im Fricktal? Ein Teil der Baugeländes wurde ausgezont, der größere Teil gehört nun zur „Arbeitszone“. Gleich neben dem Gelände baute der Chemiekonzern Roche ein modernes Laborgebäude.

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