Basel Bereit für die nukleare Apokalypse

Die Oberbadische

Ein unterirdisches Krankenhaus für den Katastrophenfall

Es ist ein Krankenhaus unter dem Krankenhaus: Tief unter dem Garten des Basler Universitätsspitals befindet sich eine Geschützte Operationsstelle (Gops), die im Katastrophenfall die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen sollte. Jetzt verschwindet das Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges.

Von Michael Werndorff

Basel. Die graue Panzertür kann Richard Birrer nur mit viel Körpereinsatz öffnen. „Die Tür wiegt mehrere Tonnen und sollte die Gops hermetisch von der Außenwelt abschotten“, erklärt der Leiter Infrastruktur am Basler Universitätsspital. 20 Meter tief unter der Erdoberfläche gelegen, war die Gops mit 864 Betten, zwei Operationssälen und sechs OP-Tischen ausgestattet. Jetzt wird das Notfallkrankenhaus stillgelegt und soll bis Ende des Jahres Parkplätzen im Rahmen einer Zwischennutzung weichen. Abgebrochen wird die im Jahr 1981 fertiggestellte Gops indes nicht, wie Birrer betont: „Sollte aus Bern das Signal kommen, die Einrichtung wieder zu aktivieren, hätten wir eine gewisse Vorlaufzeit“, erklärt er das Konzept des Bundesamts für Bevölkerungsschutz. Dann würde auch die gesamte Ausrüstung erneuert. Alle peripheren Gops sind mittlerweile inaktiv, nur im Herzen der Alpenrepublik stehen sie noch für den Katastrophenfall zur Verfügung. Die produktionsneuen Stockbetten samt eingeschweißter Matratzen werden eingelagert, andere Ausrüstungsgegenstände erhält der Katastrophenschutz oder werden verkauft. „Viele Gerätschaften neigen sich dem Ende ihrer Lebenszeit zu, zum Teil gibt es auch keine Ersatzteile mehr“, deutet er auf zwei riesige Dieselgeneratoren, die an Schiffsturbinen erinnern und dem Unispital vorerst noch als Notfallgeneratoren zur Verfügung stehen.

Patienten müssen auf engstem Raum liegen Sie hätten das unterirdische Krankenhaus knapp drei Wochen mit Strom versorgen können, der Ölvorrat lagert hinter dicken Betonwänden, ebenso das Frischwasser für die Versorgung von Patienten und medizinischem Personal. „Pro Patient und Tag waren 75 Liter vorgesehen, für alle übrigen Personen nur noch 15 Liter Wasser“, weiß Birrer. Anderes wirkt nagelneu: Drei große Waschmaschinen, deren Programm per Lochkarte gesteuert wird, wurden in den 1980er Jahren angeschafft und haben noch keinen einzigen Waschgang hinter sich. „Die sind geradezu unkaputtbar“ schwört Birrer auf robuste Technik, die einfach repariert werden könne. Auch hierfür habe sich bereits ein Käufer gefunden. „Zum Wegwerfen wären die Geräte einfach zu schade.“ Birrer führt durch spärlich beleuchtete Gänge, deren Wände in einem dunklen Beige gestrichen sind. Der Boden ist aus Gussbeton – alles wirkt nüchtern und auf das Nötigste reduziert. Vorbei geht es an Schwesternzimmern, in denen sich kistenweise altes Verbandsmaterial stapelt. In einer Ecke steht ein Operationstisch wie frisch aus der Fabrik. „Dieser ist in all den Jahren niemals zum Einsatz gekommen“, so Birrer.

864 Patienten hätten auf engstem Raum ausharren müssen, während an der Oberfläche das Überleben nach einem Atomkrieg vielleicht unmöglich gewesen wäre, wie Birrer nachdenklich sagt. Die darüberliegende Zivilschutzanlage hätte zudem rund 3000 Menschen Platz bieten können, wovon etwa die Hälfte für das medizinische Personal gewesen wäre. Zum Betrieb des Krankenhauses gehört auch ein komplett ausgestattetes Labor, eine Notaufnahme samt Röntgenraum sowie Sterilisationsräumlichkeiten, die seit wenigen Tagen verwaist sind, aber noch bis vor kurzem voll einsatzbereit waren. „Die Anlage wurde stets gewartet und die Liegestationen immer auf dem neuesten Stand gehalten“, erläutert der Krankenhausmitarbeiter. Auch eine Küche samt holzvertäfeltem Speisesaal, der an eine Berghütte erinnert, sind Teil der Gops. Mit Vorhängen verzierte Fenster sollen ein Gefühl von Geborgenheit und Normalität vermitteln. Birrer öffnet die Fenster. Anstatt auf ein idyllisches Bergpanorama fällt der Blick aber auf eine graue Betonwand, an welcher der Plan der 145 Meter breiten und 51 Meter langen Anlage hängt. Deren Lüftungssystem ist ebenso intakt wie die Filteranlage, die die Luft von chemischen Kampfstoffen oder radioaktivem Niederschlag hätte reinigen sollen. Der Kalte Krieg ist vorbei und die einst 17 Millionen Franken teure Anlage wird nun abgewickelt. Arbeiter sind in den Gängen unterwegs und schaffen alle Einrichtungsgegenstände raus, die für den Ernstfall vorgesehen waren. Ein Ernstfall, der nie eingetreten ist.

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