Basel Bruch mit bürgerlicher Tradition

Die Oberbadische

Lesung: Dada-Abend im Literaturhaus Basel

Von Jürgen Scharf

Basel. Die Erfinder des Dada glaubt man zu kennen: Hugo Ball, Hans Arp, Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck. Aber da war auch eine Frau dabei: Emmy Hennings. Ihre Rolle in der Dada-Bewegung, die im Februar 100 Jahre alt wurde und von Zürich ausging, ist unterbelichtet. Aber Hennings hat eine zentrale Rolle gespielt. Sie war die Muse der Dadaisten, die ein absolut ungewöhnliches Leben führte: die wohl „undadaistischste Dadaistin“ an der Seite ihres Gefährten Hugo Ball.

Im Vergleich etwa zu Else Lasker-Schüler wird Emmy Hennings als Dichterin noch immer unterschätzt. Die Berliner Autorin Bärbel Reetz will das mit ihrer Biografie „Das Paradies war für uns. Emmy Ball-Hennings und Hugo Ball“ ändern. Auch der Verleger Bernhard Echte, Herausgeber der Schriften von Ball und Hennings, dreht an diesem Rad. Beide waren zu Gast im Literaturhaus Basel bei einem Dada-Abend.

Bei Dada denkt man unwillkürlich zuerst an Kabarettistisches, an Provokation, Witz, Slapstick und surrealistische Fantasien (schließlich ist Hugo Ball einer der ersten Performer, als er in seinem berühmten Röhrenkostüm das dadaistische Manifest vorträgt). Der Abend war aber keine Performance. Vielmehr beleuchteten die beiden „alten Hasen“ (Intendantin Katrin Eckert), die sich seit Jahrzehnten mit Dada und dem Umfeld befassen, die Dada-Szene. Ausgehend von Emmy Hennings näherten sie sich dem literarischen Thema mit abwechselnden Lesungen aus dem Buch und biografischen Erzählungen sowie Projektionen von interessantem Fotomaterial.

Auf einem frühen Foto ist Emmy in dänischer Tracht zu sehen, in der sie als Tänzerin auftrat, denn sie stammt aus Flensburg, das einmal dänisch war. Emmy Hennings war Kabarettistin, Diseuse, Wanderschauspielerin, Autorin, große Reisende, aber auch Gelegenheitsprostituierte – die erste emanzipierte Frau, die aus ihren Verhältnissen ausgebrochen ist. Sie, die vom provinziellen Flensburg in die große Welt und in den Kreis der wilden Dadaisten zieht, muss eine faszinierende Person gewesen sein!

Einblicke in das bewegte Leben der Emmy Hennings

Auch fotogen, denn sie lässt sich als Fotomodell permanent fotografieren.

Anhand der Aufnahmen konnte sich Bernhard Echte durch das unglaublich bewegte Leben der Emmy Hennings klicken, die auch als 30-Jährige noch ganz jung, wie ein Schulmädchen, aussieht, später dann etwas lasziver: eine exzentrische Frau, die sich von Männern aushalten lässt, Liebesbeziehungen zu allen möglichen jungen Dichtern hat und in deren schillerndem Leben an einem Tiefpunkt Hugo Ball in Erscheinung tritt.

Die beiden werden ein Paar, ein sehr polares, wie man aus der Beschreibung von Bärbel Reetz heraushörte. Sie gründen das Zürcher Cabaret Voltaire, gastieren in Basel. Die hübsche Emmy weiß, wie man auf der Bühne tingeltangelt. Sie singt und tanzt in dieser Künstlerkneipe, die zur Keimzelle des Dadaismus wird. Von hier tragen sie – und gemeint sind immer die Männer – Dada in die Welt. Aber Emmy war auch dabei, und sogar der Magnet des Kabaretts. Dabei wurde klar: Emmy Hennings ist nicht der „Betriebsunfall“ im Dada, wie sie schon bezeichnet wurde, sondern eine Zentralfigur der literarischen Moderne im 20. Jahrhundert.

Die Dada-Kenner Echte und Reetz rücken auch das Bild zurecht, das man heute von dieser Kunstbewegung hat, die erst später zu Happening und bloßem Agieren wurde und viel mehr ist als bloße Sinnentleerung und ein Spiel mit Unverständlichkeit. Auch dass das Cabaret Voltaire und die Galerie Dada nicht die Geburtsstätte der „Antikunst“ waren, wurde an diesem aufschlussreichen Abend deutlich. Es war vielmehr eine literarische Szene in einer anregenden Zeit, die mit bürgerlichen Traditionen brechen wollte und die Kunst neu erfunden hat.

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