Basel Das Leben als Kunstwerk

Die Oberbadische
Kommunikationsfreund und genialer Maler: Wolfgang Beltracchi und seine Frau Helene Foto: Gabriele Hauger Foto: Die Oberbadische

Kunst: Ex-Meisterfälscher Wolfgang Beltracchi stellt in der Riehener Galerie Lilian Andrée aus

Von Gabriele Hauger

Riehen. Pfeifend, Hut mit Feder auf den langen Haaren, so schlendert er aus dem Riehener Café in Richtung Galerie: Wolfgang Beltracchi, berühmter Kunstfälscher, genialer Maler, eloquenter Selbstvermarkter, unerschütterlicher Optimist.

35 Jahre lang fälschte der mit außergewöhnlichem Talent gesegnete Mann Meisterwerke, schleuste sie auf den Kunstmarkt, überzeugte Gutachter und Experten. Sein Trick: Er kopierte keine existierenden Werke, sondern schuf im jeweiligen Stil der großen Künstler neue Arbeiten. Bis er schließlich doch aufflog, im Knast landete.

Seit 2015 ist er draußen, malt wieder. Und die unerschrocken-selbstbewusste Galeristin Lilian Andrée zeigt nun in Riehen 22 seiner neusten Arbeiten unter dem Titel „Ballets Russes“.

Beltracchi steht im medialen Interesse

Die Pressekonferenz im Vorfeld der Vernissage am Sonntag gerät zur lockeren Runde. Extrovertiert erzählt der 66-Jährige von sich, seiner Kunst, völlig unprätentiös, er interpretiert, stellt ketzerische Fragen und gibt erfrischend ehrliche Statements von sich: „Man muss die Regeln der Kunst beherrschen. Und das bedeutet: präsent sein!“

Dass einige der in Riehen präsentierten Arbeiten längst verkauft sind, darf nicht unerwähnt bleiben. Ab 50 000 Euro ist so ein Werk zu haben. Preise, die sicher auch dazu geführt haben, dass Beltracchi nach eigenen Angaben jetzt schuldenfrei ist.

Der Ex-Fälscher steht im medialen Interesse, 3 Sat zeigte 15 seiner live entstandenen Porträts von bekannten Persönlichkeiten. So malte er Hape Kerkeling wie Tolouse Lautrec, die Gräfin Thurn und Taxis à la Cranach, Ina Müller im Matisse-Stil. Allerdings: Porträts strengen an. Darum sollen es künftig nicht mehr als vier pro Jahr sein, erzählt er.

Derlei TV-Auftritte haben Beltracchi noch bekannter gemacht, ebenso wie die Ausstellung einiger Bilder in einem Hotel während der letztjährigen Art Basel, die erboste Galeristen auf den Plan rief und weltweit für Schlagzeilen sorgte. Galerien, die die Kunst Beltracchis ausstellen, werden in einigen Kunstkreisen übrigens geächtet und fliegen aus dem Galeristenverband. Selbiger bestünde allerdings gerade mal aus drei Halbtagsstellen, meint Beltracchi süffisant.

Immer an seiner Seite („wir entwickeln alles gemeinsam“) ist seine Frau Helene. Sie begleitet ihn auch jetzt zur Ausstellung nach Riehen. Überhaupt die Schweiz: 60 Prozent seiner Käufer stammen von dort, hier erfährt er beste Resonanzen, ist in Sammlerkreisen beliebt. Kein Wunder, dass sich Beltracchi als neuen Wohnort den Vierwaldstätter See auserkoren hat, wo er seit März wohnt. Ein fünf Meter hoher ehemaliger Ballsaal ist hier zudem sein neues Atelier, mit bemalter Decke und Putten, ganz im Stile der französischen Maler des 19. Jahrhunderts, wie Beltracchi es liebt. Und so leben er und seine Frau jetzt meist in der Schweiz, die Tochter studiert in London, eine Wohnung in Südfrankreich haben sie behalten, obwohl die aktuelle politische Lage dort Frau Beltracchi übel aufstößt: „Der Front National – das macht uns große Sorgen“.

Ausstellung „Les Ballets Russes“

Über so viel interessante Gespräche darf die aktuelle Ausstellung nicht vergessen werden. Die „Ballets Russes“ sind das wohl berühmteste Ballettensemble des 20. Jahrhunderts. 1909 von Sergei Djagilew gegründet, machten ihre Tänzer und Choregrafen Furore. „Die tourten durch ganz Europa, waren Avantgarde, zeigten ein ganz neues Ballett, den Tanz als eigene Kunstform“, schwärmt Beltracchi. „Die Tänzer wurden verehrt, waren quasi gottgleich.“ Im Vorfeld zur Ausstellung hörte er sich verschiedene Musiken der Balettstücke an, ließ sich inspirieren zu Tänzer-Porträts, Szenen aus dem Sacre du Printemps, einer hingegebenen Scheherazade oder dem „Feuervogel“. Umgesetzt hat er dies alles in unterschiedlichen Stilen. „Ich habe eine Idee, lasse meiner Kreativität freien Raum. Ich brauche keinen so genannten Wiedererkennungswert. Ich male keine Marke!“

Sein Malstil hänge davon ab, wie er sich fühle, erklärt er. Und so finden wir in den zehn Ölgemälden, überarbeiteten Siebdrucken, Lithografien und Aquarellen sowie Arbeiten auf Papier Elemente des italienischen Futurismus, des Jugendstils oder ein bisschen Max Ernst. Die Spurensuche danach überlässt der Maler gerne dem Betrachter.

Elitär sei er übrigens nicht, betont Beltracchi. Aber manche Kunstformen liegen ihm nicht. Abstrakt malt er nicht. Und: „Wie nennt man das nochmal, wenn einer einen Raum voll Müll schmeißt? Ach ja, Rauminstallation!“

„Mein Mann ist ein Erzähler“

„Mein Mann ist ein Erzähler“, sagt Helene Beltracchi. „Sein Leben ist sein größtes Kunstwerk“. Seiner Kreativität, seinem Überlebenswillen, Optmismus und einer gewissen Renitenz sei es wohl zu verdanken, dass er auch nach Urteil und Gefängnis seine Kunst lebt und liebt. Genügend Aufmerksamkeit ist ihm dabei gewiss.   Galerie Lilian Andrée, Gartengasse 12, Riehen; Vernissage: Sonntag, 11. Juni, 13 bis 17 Uhr, der Künstler ist anwesend; bis 9. Juli: Mi bis Fr, 13 bis 18 Uhr, Sa, 11 bis 17 Uhr, So, 13 bis 17 Uhr, während der Art täglich, 9 bis 19 Uhr

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