Von Dorothea Gebauer Basel. Etwas spitz, etwas süffisant, nur scheinbar freundlich wirken die Bemerkungen von Lisa. Es sind Zuschreibungen, Stereotype, die sie halb im Plauderton, halb als Attacke ihrem Mann Gilles entgegenschleudert. Da lauert eine gemeinsame Vergangenheit, da liegt irgendwo eine Leiche im Keller. Da versteckt sich ein Geheimnis, das es zu enträtseln gilt. Worum geht es" Der Dialog, der sich in den folgenden zwei Stunden auf der Bühne der Förnbacher Theater Company im Theater im Badischen Bahnhof entfaltet, rankt um die Geschichte eines vermeintlichen Unfalls von Gilles, der alles auf den Kopf gestellt hat. Im besonderen die Ehebeziehung der beiden. „Kleine Eheverbrechen“ liefert dazu den Stoff. Eric–Emmanuel Schmitt ist dessen Autor. Inszeniert wird das Stück von Helmut Förnbacher und von diesem gemeinsam mit Kristina Nel dramaturgisch umgesetzt. Prickelnde Dialoge Das knisternd-prickelnde Gespräch ereignet und entwickelt sich vor der Kulisse eines bürgerlich eingerichteten Wohnzimmers. Braune Sofas, braune Treppe, Stehlampen, eine Bibliothek, moderne Kunst an der Wand. Zunächst erfährt der Zuschauer, dass sich auf der alles dominierenden Treppe, die nach unten ins biedere Wohnzimmer führt, etwas ereignete, das Gilles das Gedächtnis geraubt hat. Er versucht, 15 Jahre Ehe zu rekonstruieren, ergibt sich in Fragen und Vermutungen, um sein Leben neu zu (er)finden. „Wer bin ich, wer bist du"“ „Kennen wir uns"“ Im Ping-Pong Spiel, in schnellem Witz und hochfliegenden Gedanken wird abgefragt: „War ich treu"“, „War ich liebenswert"“, „Mögen wir uns"“ Was zunächst harmlos und nett anmutet, entpuppt sich als Drama: Lisa trinkt, um zu vergessen, Gilles hat seine Amnäsie nur erfunden, um Lisa einem Test zu unterziehen. Das Stück lebt vom Spiel der Worte, vom Andeuten der Lebenslügen und ihrer Aufdeckung. Das Messer, das den schönen Schein von bitteren Lüge trennt, arbeitet akribisch, schonungslos, legt alles offen. Nirgends ist Halt, nirgends ein Ankommen in der Sicherheit des Zusammenfindens oder zurück gewonnenen Vertrauens. Das gibt es nicht. Der Betrachter wird aufs Glatteis gezogen und fürchtet jede Sekunde, mit den Protagonisten zusammen einzubrechen und im eiskalten Wasser zu ertrinken. Was bleibt, ist einzig und allein die Erinnerung an einen witzigen Dialog, der sich bei der ersten Begegnung des Paars ereignet hat, eine Mischung aus Sentimentalität und Nostalgie. „Das Schicksal der Liebe ist ihr Zerfall“ lässt Lisa ihren Mann sagen. Das, was man Liebe nennt, ist abgenutzt und fade. „Liebst du mich"“ fragt Gilles. „Ach“, antwortet sie lapidar: „Ich liebe Skifahren und crème brulée.“ Gesteigerte Spannung Die Leistung der beiden Schauspieler zeigt sich darin, die Spannung, die sich bisweilen ins Grenzenlose steigert, auszuhalten und kongenial, mit Witz und Ironie mit ihr zu spielen. Gilles ist dabei der scheinbar Hilflose, der sich manchmal stammelnd der Wahrheit über seine Ehe zu nähern gewillt zu sein scheint. Er spielt den Überlegenen, doch Ehemüden, gänzlich Desillusionierten. Den der sucht, aber niemals findet. Leicht gebückt geht er kleine Schritte auf Lisa zu, zögernd, zaudernd. Doch kein Zorn: Das hätte Ideale aufflammen lassen. Lisa mimt die Fragile, Zerbrechliche, die des Opfers. Und das wirkt und trifft: Wie sie auf dem Teppich kniet, Arme und Hände in die Luft wirft, das Elend ihrer Situation deklamiert. „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“, sagt Ingeborg Bachmann. „Ja, das ist so,“ sagt das Stück. Aber in „Kleine Eheverbrechen“ hat sie keine Konsequenzen. n  weitere Termine: heute, 21. sowie 23. und 29. Oktober, 20 Uhr; Infos und Karten: www.foernbacher.ch, Tel. 004161/3619033