Basel Derwisch am Schlagwerk

Die Oberbadische
Entfesselte Rhythmen: Das Sinfonieorchester Basel unter Leitung des venezolanischen Gastdirigenten Diego Matheuz spielte mit dem wohl weltbesten Schlagzeuger Martin Grubinger. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Konzert: Basler Sinfonieorchester mit exotisch-origineller Programmwahl

Von Jürgen Scharf

Basel. Beim jüngsten Sinfoniekonzert im Stadtcasino am Mittwochabend standen die Perkussionisten des Basler Sinfonieorchesters einmal im Mittelpunkt. Inspiriert von Martin Grubinger, dem zurzeit sicher virtuosesten Schlagzeuger, liefen die Orchestermusiker am Schlagwerk zu voller Form auf.

Rhythmus war das beherrschende Element bei diesem schlagzeugintensiven Konzert. Aufgeführt wurden rhythmisch komplexe Werke mit viel Perkussion und Klangfarben, angefangen bei „Sensemayá“, der sinfonischen Dichtung des Mexikaners Silvestre Revueltas, über die körperlich zu spürenden, entfesselten Rhythmen im Konzert für Schlagzeug und Orchester „The Tears of Nature“ des Chinesen Tan Dun, bis hin zur slawischen Rhythmik in Dvoráks achter Sinfonie.

Spektakulär war der Auftritt von Martin Grubinger: Der 32-Jährige ist ein wahrer Wirbelwind, extrem reaktionsschnell, ein Derwisch, der mit dem Schlagwerk tanzt. Alles an ihm ist Rhythmus. Keiner taucht wohl so wie er in die Welt der Rhythmen ein.

Das Schlagzeugkonzert hat er richtig „inszeniert“ mit ihm als Hauptdarsteller: Vom großen Schlagwerkapparat vorne an der Rampe eilt er durch die Orchesterreihen zu den Pauken, und legt dort ein Paukensolo hin, dass einem Hören und Sehen vergeht. Grubinger donnert auf die Felle mit harten Holz- und weichen Filzschlegeln, und seine blitzschnellen Bewegungen beim Paukenwirbel kann man optisch fast nicht mehr verfolgen.

Doch er geht auch ganz sanft mit dem fellbespannten Instrument um, erzeugt Klänge mit den Fingerkuppen, reibt und streichelt die Felle mit der glatten Handfläche, streicht mit dem Jazzbesen darüber. Faszinierend, zumal ihm der chinesische Starkomponist gerade im ersten Satz, der ganz zart mit dem Klick-Klack aneinander geriebener Steine beginnt, eine ungeheure Steilvorlage für seine energiegeladenen Soli gibt.

Musikalischer Spitzensport im T-Shirt

Auch am Marimbaphon im zweiten Satz und bei den trockenen Schlägen im dritten, die an die Kodo-Trommler denken lassen, war der österreichische Schlagzeugsolist bis zum abschließenden Höhepunkt unübertroffen an rhythmischer Präzision. Kein Wunder, dass sein Puls bei solchen Auftritten bei 170 liegt! Schließlich ähnelt seine athletische Performance – im T-Shirt – schon einer Art musikalischem Spitzensport.

Die Schlagzeuger des Sinfonieorchesters waren ebenso gefordert und machten ihre Sache so gut, dass sie nach dem stürmischen Applaus zu siebt eine humorvolle Zugabe gaben, einen Ragtime aus den 20er Jahren.

Also eine exotisch-originelle Programmwahl im ersten Teil mit sechs fesselnden und spannungsvollen Minuten beim Eröffnungsstück von Revueltas. Der Venezolaner Diego Matheuz, ein Kind von „El Sistema“, der erstmals das Sinfonieorchester Basel dirigierte, arbeitet in „Sensemayá“ die elementare Urgewalt in diesem von afro-kubanischen Rhythmen beeinflussten Stück über rituelle Gesänge beim Töten einer Schlange kraftvoll heraus.

Dabei ist Matheuz alles andere als ein Showman, obwohl er den Taktstock elegant führt. Dass eines seiner Lieblingsstücke Dvoráks achte Sinfonie ist, spürte man durchaus, denn die Interpretation war von zündender orchestraler Präsenz und hatte rhythmischen Schwung bis hin zur beeindruckenden Schlusssteigerung in der mitreißenden Stretta.

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