Von Willi Vogl Basel. Brasilianische Karnevalsstimmung, Sinfonischer Jazz und eine Uraufführung. Dies ist wahrlich kein alltägliches Konzertprogramm, zumal für ein Amateurorchester, dass für gewöhnlich in vertrauteren Gefilden der Musik des 18. und 19. Jahrhunderts musiziert. Dirigent Jan Sosinski, Präsidentin Louise Hugenschmidt und das Philharmonische Orchester Riehen gingen am Samstag ein Wagnis ein, dass letztlich nicht nur den Musikern sondern auch dem Publikum in der Martinskirche außerordentliches Vergnügen bereitete. "Wir sind keine Notenfälscher, die Instrumente sind gestimmt, alles ist korrekt gespielt und alle spielen das gleiche Stück", erläuterte Jan Sosinski in seiner launigen Werkdemonstration Darius Milhauds "Le Boef sur le Toit". Die fröhliche, hemdsärmelig montierte Ballettmusik nach Jean Cocteau aus dem Jahre 1919 ist bestimmt von einem 15-malig wiederkehrenden Refrain und einer Vielzahl brasilianischer Karnevalsmelodien. Milhauds Verzicht auf strenge formale Gestaltungstechniken, die Gleichzeitigkeit mehrerer Melodien und die Überlagerung verschiedener Tonarten erweckt tatsächlich den Eindruck, als befände man sich inmitten eines konzertanten Wettstreits Brasilianischer Sambagruppen. Diese Musik zündete auch nach 100 Jahren noch und das Orchester entfachte jenseits der solide bewältigten rhythmischen Hürden ein Feuerwerk ausgelassener Laune. Den Mittelteil des Konzerts bildeten sechs Balladen für Jazz-Quartett und Orchester. Thomas Moeckel glänzte hier als routinierter Trompetensolist mit einem frischen Klangspektrum von rauchigem Flüstern bis exzessiver Melodiegestaltung. Zudem zeigte er sich als geschickt und einfallsreich agierender Arrangeur und Komponist. Getragen wurde sein improvisationsbestimmter Vortrag vom bassverdicktem Orchesterspiel und dem charmanten Drive seiner Jazzsekundanten Lorenz Hunziker (Perkussion), Thomas Lähns (Kontrabass) und Christian Gutfleisch (Klavier). Letzterer bezauberte auch durch ein cooles Solo in Möckels "Morris Minor Suite". Aufrichtiges Interesse bei der Probenarbeit und tiefe Bewunderung am Ende der Aufführung waren beim Orchester für Alexander Sloendregts Uraufführungswerk "Lebensbilder" zu spüren. Das Verantwortungsgefühl gegenüber dem Hauptwerk des Abends, das zum ersten Mal vor Publikum erklang, bewegte das Orchester dazu, das bekenntnisreiche Werk des Schweizer Komponisten an den Anfang zu stellen. Das war eine gute Entscheidung und das Orchester spielte konzentriert und mit viel Liebe zum Detail. So wechselten sich akkurat impressionistisch gefärbte Episoden und ein gleichbleibendes heiteres melodisches Signet ab. Die anrührende Wirkung der Komposition mag durch das Wissen um die thematische Verbindung zum Lebensweg Sloendregts jüngst verstorbener Mutter verstärkt worden sein. Aber weder dieser programmatische Hintergrund noch die bevorzugte Verwendung von historisch abgesicherten Techniken bildeten die eigentlichen Qualitäten der Komposition. Erst Sloendregts ideologiefreie Materialverwendung gepaart mit feinem Gespür für die Kraft jedes Tones waren hierfür entscheidend. Diesem gelungenen Stück wünscht man noch viele weitere Aufführungen auf so einfühlsame Weise.