Basel Eindimensionale Kleingliedrigkeit

Die Oberbadische
Johanna Greulich und Robert Koller im Ausmessen ihrer gesanglichen Dimensionen Foto: Willi Vogl Foto: Die Oberbadische

Weltpremiere „Hypermusic Prologue“ von Héctor Parra und Lisa Randall im Gare du Nord

Von Willi Vogl Basel. Das Beste vorweg: Man erlebte mit der Sopranistin Johanna Greulich und dem Bariton Robert Koller zwei ausgezeichnete Sängerdarsteller und konnte mit dem jungen Zafraan Ensemble unter der Leitung von Manuel Nawri ein allzeit engagiertes und nuancenreiches Instrumentalspiel genießen. Das Bühnenbild von Tobias Flemming war fantasievoll und die Personenführung von Benjamin Schad überzeugte.

Der Komponist Héctor Parra entwickelte zusammen mit der Librettistin und Harward-Physikerin Lisa Randall „Hypermusic Prologue“, eine Kammeroper über eine verborgene Dimension, existenziellen Forscherdrang, die Grenzen von Erkenntnis und die Abhängigkeit vom wahrnehmbaren Leben. Nach Vorstellungen in Berlin konnte man die szenische Uraufführung nun auch im Basler Gare du Nord erleben.

Im Zentrum der Handlung steht eine Wissenschaftlerin, die sich im Spannungsfeld zwischen der Liebe zu ihrem Partner und der Leidenschaft für Theoretische Physik bewegt. Im Verlauf der Oper begibt sich die Protagonistin in die fünfte Dimension, während ihr Partner an die normale Raumzeit gebunden bleibt.

Die Abstrakteit des rein wissenschaftlichen Stoffs setzt der Musikalisierung und Emotionalisierung große Hürden. Die Brücke zur Bühnentauglichkeit findet die Librettistin in der Darstellung des Forscherdrangs als menschlichen Konfliktauslöser. Mit dieser Erkenntnis spielt es keine Rolle, ob man sich mit Fachbegriffen wie „Brane“, „Bulks“ oder „Tensor“ dem Modell der Fünfdimensionalität nun annähern kann oder auch nicht.

Die wissenschaftsschwelgerischen Äußerungen der weiblichen Protagonistin bleiben nicht nur für ihren Bühnenpartner sondern auch für das in der normalen Raumzeit gefangene Publikum über weite Strecken unverständlich. Das hat Methode und ist reizvoll. Wenngleich Randalls assoziationsreicher kleingliedriger Text keine Vorlage für Arien im traditionellen Sinn bietet, hält er doch starke Bilder für mögliche kompositorische Überhöhungen bereit, so in der Bitte des Mannes: „Komm hierher zurück, wo die Gravitation schwach ist, unsere Anziehung aber nicht!“

Mit systematischer Akribie hat sich Héctor Parra mit der Stimmphysiologie befasst und ein klangliches Koordinatensystem entwickelt, in dem er physikalischen Größen wie Distanz, Zeit, Masse oder Energie musikalische Modelle und Chiffren zuordnet. Zum Glück, und hier muss man sagen leider, funktioniert Musik nicht wie eine Wissenschaft. Parras Musik erfüllte eine Reihe von Klischees des Neue-Musik-Zirkus, ohne damit zu einem charakteristischen Standpunkt zu gelangen: Dekorativ quietschende Bläsertöne, fauchende Streichergesten und ein dichtes Aktionsgeflecht, das Dramatik vorgaukelt. Auch in der Verbindung akustischer Klänge mit elektroakustischer Verfremdung sowie vorproduzierten elektronischen Surroundeffekten entstand keineswegs differenzierte Vielfalt, sondern allenfalls eindimensional verpuffende Kleingliedrigkeit. Vielleicht wird man in einigen Jahren die fünfte Dimension von Héctor Parras Komposition verstehen. Vielleicht gelangt man aber zu der Erkenntnis, dass für wirkungsvolles Komponieren das tiefere Eintauchen in die rein musikalischen Dimensionen entscheidend ist.

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