Basel (do). Es lese Basel! So hieß das Motto auf dem Programmheft der diesjährigen BuchBasel. Und wo man überall lesen kann: Im Hotel, im Hochhaus, in der Schreinerei, im Kaufhaus und natürlich auch dort, wo Bücher von Natur aus zu Hause sind, in Bibliotheken und Buchhandlungen. Aus den mehr als 100 Veranstaltungen an über 30 Spielorten haben wir uns am Samstag einen winzigen Schnitz herausgepickt. Der Parcours beginnt in der opulent ausgestatteten Basler Stadtbibliothek mitten im Gewirr der Gässchen unterm Spalenberg, dort wo die „Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel“ ihren Sitz hat. Ohne Durchfragen geht es gar nicht, wenn man die Ecke in dem weitläufigen vierstöckigen Labyrinth finden will, wo sich die Literaturgänger, erkennbar am obligatorischen Programmheft versammelt haben, um der ersten von vier Kurzlesungen zu folgen, die hier bis etwa 15 Uhr angesagt sind. Jaqueline Moser lässt uns ins trübgraue Leben ihrer Protagonistin Ella, einer Grafikdesignerin, gucken, die sich immer tiefer in Depressionen verstrickt. Wenn Autoren lesen, ist das meistens keine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit, denn die wenigsten haben eine Sprech- oder Schauspielausbildung. Auch Jaqueline Moser arbeitet sich an ihrem Text ab, es klingt stellenweise, als lese sie eine Gebrauchsanweisung vor, kleine Versprecher inclusive. Lauter kurze Sätze im Präsens. Facettenreiche Kontraste Parallel dazu liefe im Kleinen Refektorium im Museum Kleines Klingental eine Lesung mit Bettina Spoerri, „Herzvirus“. Wäre das spannender gewesen" Oder die Diskussion „Basel meets Sarajewo“ im Volkshaus in der Rebgasse" Nun sitze ich hier zwischen Buchregalen, die dem Thema Sport und Beauty gewidmet sind. „Richtig schnorcheln“ verheißt einer der Titel, ich geniere mich, dass ich mich so ablenken lasse, während sich da vorne das Drama eines Weihnachtsbastelnachmittags entfaltet, zu dem Ella ihren fünfjährigen Sohn gebracht hat. Eine Frau pult knisternd heiße Maroni. Dass viele Zuhörer nach dieser Lesung gehen, ist ein Fehler, denn jetzt kommt Yossi Ziv mit einem Buch, das erst nächstes Jahr erscheint. Der erste Einblick ist viel versprechend, wir tauchen ein in eine unbeschwerte Kindheit im Tel Aviv der späten 1950er Jahre, wo sich zwischen zwei Drittklässlern eine anrührende Kinderliebe entwickelt und wo man glaubt, bis zum Jahr 1970 würde der Friede kommen. Und als Kontrast ein Ausschnitt „50 Jahre später“, wo der erwachsene Yossi am Zürichsee lebt, immer noch Heimweh hat: „Im Ausland weine ich viel mehr als in Israel“. Ein wunderbar leichtes, poetisches und anrührendes Buch mit vielen Zwischentönen, auf das man gerne warten will. „Bitzaron. Geschichten aus Tel Aviv und Zürich“ soll in der edition clandestine im Januar erscheinen. Dann mit der Straßenbahn nach Kleinbasel. In der Sperrstraße steht das Hochhaus, wo im zehnten Stock ein literarisches Debut vorgestellt werden soll. Die Wohnung gehört dem Architekten Jean-Pierre Wymann, man muss unten läuten, um eingelassen zu werden. Den Gästen verschlägt es zunächst den Atem bei diesem Ausblick vom Jura bis nach Ötlingen, zu Füßen das bunte Gewimmel der Herbstmesse auf dem Areal der Kaserne. BuchBasel: ein Kontinent, der schrittweise entdeckt werden will Ursula Hasler, studierte Germanistin, Psychologin und Dozentin an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Zürich hat aus ihren Recherchen zu Sprache und Erinnerung anstelle einer wissenschaftlichen Abhandlung ihren ersten literarischen Roman geschrieben. Seit 2009 arbeitete sie an dem Buch, in dessen Mittelpunkt ein Französischlehrer steht, der das Gedächtnis verloren hat. Brillant verschränkt sie Perspektiven und Erzählebenen, eine tiefe Wurzel reicht hinab in das von den Deutschen besetzte Südwestfrankreich, wo der Gedächtnislose auf den Spuren seines alten Tagebuchs eine neue Biografie entwirft. Unter der einfühlsamen Moderation von Ruth Signer kommt eine gehaltvolle Diskussion in Gang. Später an diesem Nachmittag wird hier die 70-jährige Elisabeth Schrom ihren literarischen Erstling „Herbertgeschichten“ vorstellen, und danach kommt Amir Kamber, eine „neue starke Stimme“ aus Bosnien im Schwerpunkt „Basel meets Sarajewo“. Herr Wymann hat in der Küche einen kleinen Apéro gerichtet mit Getränken, Brot und Käse, die Gäste schauen weit hinaus ins Land und reden über ihre Eindrücke. Der Ausflug hat sich gelohnt, BuchBasel ist ein großer Kontinent, der schrittweise entdeckt werden will.