Die Fassade des Basler Münsters ist selten ohne Gerüst zu sehen. Seit Anfang September steht das Nordquerhaus wieder frei. Jetzt arbeiten die Steinbildhauer der Münsterbauhütte an der östlichen Chorseite. Von Dominik Vorhölter Basel. Der Arbeitsplatz von Jonas Gysin befindet sich in 27 Metern Höhe. Hinter seinem Rücken erstreckt sich das Panorama des Rheinknies, von der Mittleren Brücke bis zum Roche-Turm. Doch Gysin konzentriert sich auf die roten Sandsteine direkt vor seiner Nase. Der Steinbildhauer steht auf dem Gerüst an der Chorwand des Basler Münsters und hämmert an den Fugen. „Anfang September waren wir noch mit dem Nordquerhaus beschäftigt. Daran haben wir mehr als ein Jahr gearbeitet“, sagt der 29-Jährige, der seit vier Jahren zum Team der Münsterbauhütte gehört. „Wir gehen etappenweise voran“, erläutert er und hält einen Steinmetz-Klöpfel in der rechten und eine Meißel in der linken Hand. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jérôme Lorenz entfernt Gysin den Putz, der die Ritzen zwischen den markanten roten Sandsteinen abdichtet. „Wir sind gerade dabei, die schadhaften Stellen auszubessern“, erklärt er. Danach sollen die Zwischenräume mit neuem Mörtel wieder geschlossen werden. Petrus-Figur wurde mit Presslufthammer gemeißelt Dabei handelt es sich um mehr als nur bautechnische Reparaturarbeiten. Die Steinbildhauer müssen nicht nur Herkunft und Art der verbauten Sandsteine berücksichtigen, sondern versuchen auch die Verputztechnik weiterzuentwickeln. „Wir verwenden verschiedene Mörtelrezepturen, um die Fugen zu schließen und dokumentieren die verputzten Stellen, damit wir langfristig das beste Ergebnis erzielen können“, erläutert Gysin Der leuchtend rote Sandstein des Münsters verändert sich stetig. Witterung und Feinstaubpartikel in der Luft bedecken ihn mit einer Rußschicht, die von den Restaurateuren zuerst entfernt werden muss, bevor sie weitere Arbeiten durchführen. Aus der Nähe betrachtet ist die Fassade des Münsters nicht einfach gleichmäßig rot. Die Steinbildhauer blicken auf ein grobflächiges Mosaik verschiedener Steine. Einige stammen von dem ursprünglichen romanischen Kirchenbauwerk, das im 12. Jahrhundert entstanden war. Beim großen Erdbeben von 1356 ist das Nordquerhaus zerstört worden. Auf den Ruinen wurden bedeutende Teile des Kirchengebäude danach im gotischen Stil mit rotem Gestein aus dem Wiesental aufgebaut. „Wenn heute ein Stein ausgetauscht werden muss, versuchen wir, möglichst ähnliches Material zu bekommen. Das sind heute Mainzer, Degerfelder oder Lahrer Sandsteine“, sagt der Steinbildhauer. Er hat im vergangenen Jahr die Petrus-Figur restauriert, die links an der Ecke des Georgsturms zu sehen ist. Er musste dafür das Kunstwerk des Bildhauers, der die Figur im Jahr 1879 angefertigt hatte, imitieren. „Ich habe bemerkt, dass die Oberfläche der Figur eine besondere Zahnung hatte, die ich nicht nachahmen konnte. Dann bin ich auf die Idee gekommen, dass der Bildhauer damals einen Presslufthammer verwendet haben könnte, und hatte Recht“, erzählt Gysin mit einem leidenschaftlichen Gesichtsausdruck. Im Winter vergangenen Jahres hatte er der Petrus-Figur ein neues Buch und eine neue Hand gemeißelt. Dies ist laut Gysin ein Kompromiss den die Münsterbauhütte mit der Denkmalpflege vereinbart: Sofern es den Restaurateuren möglich ist, sollen sie die Originalfiguren erhalten. „Im Winter 2017 werde ich mir Paulus zur Restauration vornehmen“, sagt der Steinbildhauer. Bis dahin müssen er und seine Kollegen die Fassade der Chorseite ausbessern und säubern. Ob die Verputzungsarbeiten noch lange durchgeführt werden können, weiß Gysin nicht, denn der Mörtel darf nicht kälter als sieben Grad werden.