Basel Nach dem Applaus – ab in den Rhein

Die Oberbadische
Der „Kapitän“ des Kulturfloßes: Tino Krattiger Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Interview: Tino Krattinger über die Konzertreihe „Im Fluss“ am Basler Rheinufer

Basel. Ein Sommerabend am Basler Rheinufer, unweit der Mittleren Brücke. Die Stufen der Rheinterrassen dicht gefüllt, erwartungsfrohe Stimmung. Die Konzertreihe „Im Fluss“ mit 17 Konzerten auf dem Kulturfloß noch bis 12. August ist ein magischer Anziehungspunkt. Mit dem Initiator des Kulturprojekts, Tino Krattiger, unterhielt sich Gabriele Hauger.

Frage: Element of Crime zum Start des diesjährigen Kulturfloßes. Wie war’s?

Das war wirklich große Klasse. Sven Regener – echt großes Kino! Zum Nationalfeiertag gab’s dann natürlich einen Schweizer auf der Floßbühne: Ritschi. Eine echte Rampensau, sehr beliebt, ein toller Künstler, der in Mundart singt.

Frage: Thema Gewitter: Ein Problem für eine Open-Air-Veranstaltung am Wasser?

In puncto Wetter-Apps kann man sich als Open-air-Veranstalter ja wahnsinnig machen. Ich finde, die werden immer schlechter, die Berechenbarkeit ist – naja... Wir sind deshalb ganz entspannt und lassen das auf uns zukommen. Gefährlich wird es ja nicht. Das Ganze ist von den Behörden abgenommen. Ich zitiere einfach mal Sven Regener von Element of Crime: „Wir bleiben hier bis die Blitze kommen, wenn die Blitze kommen sind wir weg, sag ich gleich. Am Arsch Ihr Räuber!“ Man sollte natürlich bei Gewitter nicht im Wasser sein: Aber unsere Künstler schwimmen schließlich nicht...

Frage: Seit 2000 gibt es das Kulturfloß unter dem Motto „Im Fluss“. Wie kam es zu dieser Idee?

Ende der 90er Jahre kam ein Trend auf: Es zog viele Basler immer mehr ins Zentrum ihrer Stadt. An der Peripherie konnte man die Menschen mit Kulturveranstaltungen einfach nicht mehr gut erreichen. Das habe ich damals auch mit meinem Theater gemerkt. Ich habe verschiedene Spielorte ausgesucht und bin zu dem Schluss gekommen: Man muss Kultur direkt am Rhein präsentieren. Das zieht. Die tolle Voraussetzung in Basel war: Seit den 80er Jahren gibt es im Zuge der Landesgartenschau Grün 80 am Fluss Tausende von Sitzstufen aus Beton mit Blick auf das Wasser. 30 Jahre nach deren Bau wurden sie mit dem Kulturfloß erstmals so richtig in Anspruch genommen. Damals war das Hallo riesig. Heute ist das ja überall selbstverständlich: Man sitzt in der Stadt, flaniert, genießt das Ambiente. Aber das erste Kulturfloß war schon eine kleine Sensation.

Frage: Kostenlose Konzerte – wie finanziert sich das?

Zwangsläufig über Sponsoring und über Kantonshilfen. Wir sind wahrscheinlich europaweit das kostengünstigste Musikfestival, wenn man bedenkt, dass wir mit einem Budget unter einer halben Millionen Franken 17 Tage spielen – und das ohne Eintritt! Mir ist wichtig, dass es so etwas gibt: Dass man Kultur spontan in Anspruch nehmen kann, ohne etwas bezahlen zu müssen, beziehungsweise, dass man freiwillig das bezahlt, was man kann und will.

Frage: Die Bandbreite der Konzerte ist groß. Nach welchen Kriterien werden die Musiker ausgewählt?

Ich suche die Künstler ja schon lange nicht mehr aus. Dieses Jahr haben wir einen neuen „Booker“: Gaetano Florio. Das Kriterium ist und bleibt aber das gleiche: Möglichst heterogen zu sein, alle Spektren in diesen 17 Sessions an den Fluss zu bekommen. Natürlich nicht an einem Abend. Aber innerhalb der Konzertreihe sollen die Leute mit ganz unterschiedlichem Musikgeschmack angesprochen werden und sich hier treffen. Inzwischen sind wir aber ein bisschen älter geworden: die Festival-Macher und damit auch die Musik. Klar gibt es auch Musik für Jüngere, aber das meiste ist eher für den Musikgeschmack so ab 40. Wir verstehen uns also nicht als Jugendfestival.

Frage: Gab es schon Probleme mit Auswüchsen, Alkohol, Lärm?

Einige Anwohner sind ja mit uns damals bis vors Bundesgericht gezogen, weil sie uns da nicht haben wollten. Darf man in dieser schönen und teuren Wohngegend Kultur machen? Die Antwort des Gerichts lautete zum Glück: Ja. Diese Zeiten sind aber längst vorbei. Die Basler lieben das Kulturfloß inzwischen, auch die Anwohner. Früher haben die ihren Urlaub am liebsten so gelegt, dass sie während der Konzerte weg waren. Heute sagen sie: Wir verreisen erst nach dem Floß, um die Konzerte nicht zu verpassen.

Frage: Wie groß ist das Einzugsgebiet?

Das geht vor allem nach Deutschland, bis Freiburg. Von französischer Seite kommen wenige. Die Franzosen arbeiten zwar hier, für die Kultur kommen aber wenige zu uns. Da ist das immer noch eine dichte Grenze.

Frage: Lieg Ihnen die Trinationalität am Herzen?

Ja sehr. Der Rhein fließt ja auch durch alle drei Länder.

Frage: Ist es schwierig, Musiker und Equipment auf dem Floß zu positionieren und einen guten Klang hinzubekommen?

Eigentlich ist es unmöglich. Wirklich spannend ist das Beschallungssystem. Das ist sehr raffiniert und computergesteuert. Denn direkt am Wasser gibt es ja immer diese wahnsinnigen Rückschläge. Sie müssen Verzerrungen auffangen, um einen guten Sound hinzubekommen – aber es geht!

Frage: Haben Sie selbst eine besondere Beziehung zum Rhein?

Unbedingt. Der Rhein ist ja mehr als ein Fluss, er ist ein Strom, der ins Meer mündet. Und das hat für mich schon eine gute Konotation: die in Basel gespielte Musik, die sozusagen im Meer ankommt. Der Rhein hat ja sowieso eine große Symbolik. Die Gastgeberseite eines Flusses ist viel größer als die eines Sees: Ein See ist zum Verweilen, ein Fluss bewegt etwas, hat Dynamik.

Frage: Wohnen Sie auch am Rhein?

Ja, fast, zumindest in der zweiten Reihe – ich bin bescheiden.

Frage: Auf welche Musiker freuen Sie sich noch besonders?

Pippo Pollina ist ein guter Freund von mir, er kam schon öfter, und ich freue mich auch diesmal wieder sehr auf ihn und sein Palermo Quintet heute Abend. Und natürlich Edoardo Bennato, ein wirklich großer, großer Künstler.

Frage: Wie reagieren die Musiker auf diesen besonderen Aufführungsort?

Ganz unterschiedlich. Es gibt Musiker, die haben Befürchtungen. Andere sind das gewohnt und alte Hasen. Viele Musiker springen nach dem Applaus in den Rhein – und glauben sie sind die ersten... was natürlich nicht der Fall ist. Manche tun auch ganz cool. Und dann kommt ein Riesenfrachter vorbei, da schauen sie dann schon. Oder eine Entenfamilie, oder die Rheinschwimmer... Auf dem Rhein ist halt immer was los, unvorhersehbar.  www.imfluss.ch

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