Basel Poesie und Musik mit offenen Augen hören

Die Oberbadische
Die Geschichte vom Soldaten lasen Norbert Steinwarz und Klaus Brömmelmeier (rechts), sieben Instrumentalisten des Kammerorchesters Basel spielten. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Kammerorchester Basel bringt in der Reihe „Nachtklang“ die „Geschichte vom Soldaten“ von Strawinsky und Ramuz auf die Bühne

Von Jürgen Scharf

Basel. Als ein kleines Stück aus Poesie und Musik für Wanderbühnen hat Igor Strawinsky zusammen mit dem Waadtländer Dichter Ramuz die tragische „Geschichte vom Soldaten“ geschrieben, der seine Seele dem Teufel verkauft. Die Rolle wird von einem Erzähler gesprochen und das Ganze ist nach Anweisung des Komponisten „zu lesen, zu spielen und zu tanzen“. Strawinsky nimmt hier Ideen des epischen Theaters von Brecht vorweg.

In der Reihe „Nachtklang“ des Kammerorchesters Basel, ein Konzertformat, das in der Druckereihalle des Ackermannshofs Musik in entspannter Atmosphäre und fernab gewohnter Konzertkonvention anbieten will, wurde diese „Geschichte“ in einer deutschen Fassung von Mani Matter mit einem kleinen Ensemble von sieben konzertanten Instrumenten, Schauspieler, Sprecher und Tänzer nachgespielt.

Den Soldaten, dem der „Kamerad Teufel“ ein gutes Geschäft vorschlägt, las, spielte und tanzte Norbert Steinwarz; den Teufel der Schauspieler Klaus Brömmelmeier, ehemaliges Ensemblemitglied am Theater Basel; die kranke Königstochter verkörperte die Basler Modern- Dance-Tänzerin Selina Fürst.

Brömmelmeiers schnarrende Stimme war perfekt für die Sprechrolle des Teufels geeignet, klang diabolisch im Unterton. Als naiver Träumer gab der Tänzer Steinwarz den Soldaten, der die kranke Prinzessin heilt, heiraten darf und mit dem Teufel über die Lande fliegt.

Einen Überraschungsauftritt hat die Tänzerin, die aus dem Off kommt. Ein schönes Kind, im kurzen weißen Kleidchen, barfuß. Später wird sie mit Steinwarz eine der eingängigen fragmentarischen Melodien tanzen, die Strawinsky für seine auf einer halb heidnischen, halb christlichen russischen Legende basierenden Moritat verwendet.

Nach Strawinskys Plan sollten die drei Elemente Musik, Schauspiel und Tanz „einander das Wort abwechselnd überlassen, bald sich wieder zu einer Einheit vereinigen“. Das gelang in dieser (halb-) szenischen Inszenierung spielend. Die Darsteller lasen im Wechsel, sehr plastisch und bildhaft. Das kleine Orchester war in voller Sicht auf der Bühne, die Schauspieler und Tänzerin flankiert von den Musikern – so klappt es perfekt mit dem visuellen Element der Aufführung.

Die sieben Mitglieder des Kammerorchesters fanden sich wunderbar in ihre Rolle einer New-Orleans-Jazzband ein, denn Strawinsky hat beim Komponieren wirklich an eine amerikanische Jazzband gedacht, als er den großen sinfonischen Apparat auf ein Minimum reduzierte und Formen der Unterhaltungsmusik wie Walzer, Tango und Ragtime aufgriff. Eine „gute Musik aus Abfall, Traum und Lumpen“, wie Ernst Bloch sie einmal bezeichnete.

Spielfreudig haben die Musiker auch szenisch mitgespielt, einmal sogar das Podium verlassen und den Vorlesern überlassen und sind zur Theke gegangen, um einen zu „heben“. Strawinskys neoklassizistische Musik hat dieses gut aufgestellte Instrumentalensemble witzig-trocken, vital und inspiriert rübergebracht, mit rhythmischer Akkuratesse, sehr präsent und auch gestisch, mit gutem Gespür für die pointierten Klangfarben - etwa den Königsmarsch – mit seinen Anklängen an die italienische Oper des 19. Jahrhunderts oder den Soldatenmarsch.

So lebendig auf die Klangbühne gebracht, klingt die „Geschichte vom Soldaten“ in ihrer musikalischen Unmittelbarkeit und Direktheit enorm frisch.

Das wäre ein geistreiches Werk, das sicher auch Kinder anzieht – allerdings nicht zu dieser Nachtzeit. Trotz später Stunde durfte man nicht die Augen schließen, um die Musik zu genießen, sondern musste mit offenen Augen zuhören.

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