Basel Radikaler Avantgarde-Künstler

Die Oberbadische
Foto: Dorothee Philipp Foto: Die Oberbadische

Kunstmuseum: „Otto Freundlich – Kosmischer Kommunismus“: eigener Weg in Abstraktion

Von Dorothee Philipp

Basel. „Wir wollen nicht nur bekannte Namen recyceln“, sagte Josef Helfenstein, Direktor des Basler Kunstmuseums bei der Medienorientierung zur neuen Ausstellung „Otto Freundlich – Kosmischer Kommunismus“. In Kooperation mit dem Kölner Museum Ludwig holte das Kunstmuseum die Ausstellung ans Rheinknie, nachdem sie zuvor in Köln gezeigt wurde.

Sie stellt einen radikalen Avantgarde-Künstler vor, der nach einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit allen Kunstrichtungen des noch jungen 20. Jahrhunderts einen eigenen Weg in die Abstraktion gefunden hat.

Als erstes fallen diese wunderschönen leuchtenden Farben auf, die als kleine Felder umeinander zu tanzen scheinen, jedes Bild in seinem eigenen Rhythmus. Und sie tanzen auf den Ölbildern genauso wie auf den Pastellen, dem Glasbild und den Mosaiken, die in Basel gezeigt werden.

Politische Vision zur Gerechtigkeit

Der Weg in die Abstraktion war für Freundlich ein Mittel, seine Idee eines „kosmischen Kommunismus“ zu visualisieren. Ohne agitatorische Stilmittel, nur mit dem aus einer großen Vielfalt bestehenden gemeinsamen Ganzen transportierte er seine durchaus politische Vision einer gut ausbalancierten gleichberechtigten Gesellschaft, in der kein Element dominiert.

Wie kam diese Sichtweise zustande? Ein Schlüsselerlebnis war für Freundlich das halbe Jahr Arbeit in einem Atelier im Nordturm der Kathedrale von Chartres, wo er mittelalterliche Glasmalerei studierte. „Das hat ihn verändert, in seiner Auffassung, seiner Farbpalette und seiner Blickrichtung“, beschreibt Kuratorin Julia Friedrich diese Wegmarke. Wichtige Impulse für seine Arbeit erhielt er auch über sein Interesse an Physik – sein Cousin war Mitarbeiter bei Albert Einstein. Kleinste Teilchen, die ständig in Bewegung sind als der Kern aller Materie, das war neu und faszinierend.

Dass Freundlichs Kunst bis lange nach seinem Tod keine angemessene Würdigung erfahren konnte, lag daran, dass ihr die Nazis schon früh den Krieg erklärt und später ihren Schöpfer im Vernichtungslager umgebracht hatten. Seine Plastik „Großer Kopf“ wurde als Titelbild für die Ausstellung „Entartete Kunst“ verwendet und als „Ausgeburt einer geistesgestörten Phantasie“ diffamiert. Erst bei den Vorarbeiten zur aktuellen Ausstellung stellte sich durch den Vergleich von historischen Fotos heraus, dass die Plastik mit dem verfälschenden Titel „Der neue Mensch“ offenbar im Laufe der Ausstellung „Entartete Kunst“ durch eine stümperhafte Replik ersetzt wurde, möglicherweise war das Original beschädigt oder zerstört worden. Auch die Replik ist verschollen.

Ein spannendes Kapitel im Kunstmuseum stellt der „Basler Bezug“ Otto Freundlichs dar: Er hatte 1927 in Paris die Lehrerin Hedwig Muschg, eine Halbschwester des Schriftstellers Adolf Muschg, kennengelernt, die den Künstler mit ihrem knappen Gehalt unentwegt unterstützte, was er ihr mit der Schenkung von Bildern vergalt. So gelangten einige Werke schon früh ins Kunstmuseum.

Dokument der Solidarität

Die Ausstellung zeigt auch das Original einer Subskriptionsliste, in der Künstler Geld für Freundlich sammelten, als diesem die Rückkehr nach Deutschland verschlossen blieb und es ihm auch nicht gelang, französischer Staatsbürger zu werden. Die Liste versammelt prominente Namen von Giacometti über Kokoschka bis Picasso, ein menschlich anrührendes Dokument der Solidarität.

Von Nazis vernichtet

Freundlich hatte bei seiner Übersiedelung nach Paris 1924 die meisten seiner Werke in Berlin zurückgelassen. In einem Skizzenbuch, das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist, hat er aus dem Gedächtnis die Werke im Kleinformat festgehalten – mit genauen Größenangaben. Fast alle wurden von den Nazis vernichtet. Als die Deutschen in Paris einmarschierten, floh Freundlich in die Pyrenäen. Dort wurde er von einem Nachbarn denunziert und 65-jährig ins Vernichtungslager Sobibor verschleppt. Sein Todestag ist nicht bekannt. Die Ausstellung geht chronologisch auf Leben und Werk, künstlerische und philosophische Entwicklung Otto Freundlichs ein. bis 20. September

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