Basel Säuseln, singen, schnalzen

Die Oberbadische
Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Konzert: Stimmartistik: Avantgarde-Ikone Salome Kammer „Aria“ im Bahnhof für Neue Musik in Basel

Basel. Noch vor Beginn nimmt sie auf dem roten Jugendstilsofa Platz und rekelt sich, dann stellt sie sich vor die acht Notenständer und singt, säuselt, spricht, schnalzt, schnippt, stottert, schreit, röhrt, trällert, hechelt, mundwerkelt. Sie macht alles, was man mit der Stimme machen kann. Jetzt hörte man die vielen Stimmen der Salome Kammer in der Reihe „Route des voix“ im Basler Gare du Nord.

Das Programm „Aria“ der singenden Schauspielerin ist ein stimmartistisches Solo der Sonderklasse. Salome Kammer ist nicht nur eine Fachspezialistin, sondern in vielen Sparten zu Hause, im Avantgarde-Gesang ebenso wie bei virtuosen Stimmexperimenten. Und sie hat ihr Ausdrucksmedium, die Stimme, mühelos für die experimentellsten Klänge und Geräusche geeicht.

Mehr noch: Diese schauspielernde Sängerin, eine Grenzgängerin und Unangepasste, fasziniert damit, wie sie die Stimme als Instrument führt. Sie vermag deren Klang, die Rolle, die Situation, die Empfindung entsprechend des jeweiligen Stücks anzupassen. Das kommt zuerst mal Iris ter Schiphorsts musikalischem Sprachsalat „rumgammeln und warten“ zugute, einem aus witziger Nonsens-Sprache geformtem Stück, das Kammer seinerzeit beim Europäischen Musikmonat in Basel uraufgeführt hat und das seither nicht mehr nachgespielt wurde. Jetzt hat sie es wieder neu zum Leben erweckt.

Natürlich vergleicht man bei Berios berühmter Studie über die menschliche Artikulation („Sequenza III“) die Stimmkünstlerin mit Cathy Berberian. Auch diese neue Cathy Berberian aus dem Hessischen ist eine gloriose Vokalistin, die sich leichtfüßig und zungenflink zwischen den ungefähren Tonhöhen und genauen Intervallen bewegt.

In zwei lustigen Lautgedichten des Fantasten Paul Scheerbart bringt sie das Dadaistische wie eine authentische Dada-Performerin ganz im Geiste eines Hugo Ball rüber. Ein Kabinettstück erster Güte gelingt dem singenden Universaltalent in der fünfsprachigen „Aria“ von John Cage, einer kreativen Stimm-Entgrenzung mit unkonventionellen Singtechniken. Gar nichts Papierenes, dafür viel lebendige Kommunikation, haben bei ihr Kurtágs musikalisch pointiert umgesetzten Aphorismen von Lichtenberg.

Vollends den direkten Draht zum Publikum hat Salome Kammer mit ihrer unverstellten Direktheit, ihrem unverkrampften und ungekünstelten Stil, in den hintersinnigen babylonischen Sprachverwirrungs-Studien aus Mauricio Kagels „Turm zu Babel“, wo sie ihre sprachliche Geschliffenheit und ihren interpretatorischen Witz einem deutschen, französischen, italienischen und englischen Bibelzitat leiht. Diese kleinen Solostücke, die die Sprachen beleuchten, waren das absolute Hörvergnügen, sowohl in sinnlicher als auch in intellektueller Hinsicht.

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