Basel Seelentröster auf vier Rädern

Die Oberbadische
Robert Ramseier fährt die Friedhofsbesucher zu ihrem Ziel und hat dabei stets ein offenes Ohr für sie. Fotos: Adrian Steineck Foto: Die Oberbadische

Friedhof: Auf dem größten Gottesacker der Schweiz in Riehen verkehrt ein Pendelbus für Grabbesucher

Von Adrian Steineck

Er dient den Menschen auch als eine Art Seelentröster, weiß Robert Ramseier. Der 59-Jährige ist einer von zwei Fahrern, die mit dem Pendelbus täglich im Halbstundentakt auf dem Friedhof am Hörnli verkehren und die Besucher vom Haupteingang zu den Gräbern bringen.

Riehen. Der Friedhof am Hörnli in Riehen ist der größte Gottesacker der Schweiz. Auf 50 Hektar bietet er Platz für 60 000 Gräber, von denen derzeit die Hälfte belegt ist. Aufgrund seiner Weitläufigkeit verkehrt auf dem Gelände täglich von 10 bis 16.30 Uhr ein Bus, der die Besucher zum gewünschten Gräberfeld bringt.

Dessen Fahrer Robert Ramseier strahlt eine große Wärme und Freundlichkeit aus, wenn er von seiner Tätigkeit erzählt. „Ich bin ja für ältere Menschen, deren Ehepartner gestorben ist, manchmal die einzige Ansprechperson bei ihren Sorgen und Nöten.“ Besonders bei den Besuchern, die nahezu jeden Tag am Grab eines Angehörigen vorbeischauen, weiß Ramseier gleich, wo er sie hinbringen soll. „Ich habe eine 92-jährige Stammkundin, die manchmal nach dem Grabbesuch noch bei mir im Wagen sitzen bleibt und eine Runde einfach nur über den Friedhof fährt“, schildert er seine Erfahrungen und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „So langsam werde ich zum Experten für Rollatoren-Modelle und weiß, wie diese platzsparend zusammenzulegen sind.“

Bei aller Schwere, die seine Arbeit mit sich bringt, ist es Ramseier doch wichtig, den Humor nicht zu verlieren. „Manchmal lasse ich auch einen lockeren Spruch fallen, wenn mir die Situation danach zu sein scheint“, sagt er. Nur gelegentlich stößt er dabei an Grenzen, wie er schildert. „Kürzlich habe ich einen älteren Mann gefragt, wie es ihm gehe, da fuhr er mich an, wie es ihm denn schon gehen solle, wenn gerade die Frau verstorben ist“, erzählt Ramseier. In solchen Momenten sei alles banal oder falsch, was er sagen könne. „Generell tröstet es die Menschen aber, wenn ich ihnen das Gefühl vermittle, dass eine Person nicht tot ist, so lange jemand an sie denkt“, weiß er aus Erfahrung.

Er habe, macht Ramseier deutlich, in den gut zwei Jahren als Friedhofsbusfahrer eine andere Einstellung zum Leben entwickelt, nehme jeden Tag intensiver wahr. „Ich sehe, dass Menschen in jeder Altersgruppe sterben, manche sind viel jünger als ich“, sagt er. Die intimen und oft genug traurigen Einblicke in das Schicksal seiner Fahrgäste seien etwas, was ihm zwar nahe gehe, aber was er nach Dienstschluss auch gut abstreifen könne. „Es ist wichtig, das nicht mit nach Hause zu nehmen.“

Manchmal muss Ramseier auch Streit schlichten, etwa wenn es um die 20 Rehe geht, die auf dem Friedhof am Hörnli leben und mitunter Pflanzen von den Gräbern fressen. „Viele Menschen sind der Ansicht, dass wir ein Friedhof sind und kein Tierpark, und damit haben sie natürlich recht“, sagt der Busfahrer. Zugleich weiß er aber, wie sich die Fahrgäste beim unvermuteten Anblick eines der Tiere freuen. In besagtem Fall stritten sich zwei Mitfahrerinnen so lautstark im Bus über diese Rehe, dass der Fahrer den beiden nahelegte, das Fahrzeug zu verlassen.

Das taten sie nicht, zeigten sich ihm gegenüber aber durch ein großzügiges Trinkgeld erkenntlich.

An Spitzentagen wie jüngst am Ostersonntag seien es bis zu 100 Menschen, die in Ramseiers Fahrzeug ein- und aussteigen. Durchschnittlich komme er auf 20 bis 25 Fahrgäste täglich, wenn es regne oder schneie, sei es manchmal nur ein Einzelner. Das Angebot des Shuttlebusses ist grundsätzlich nur für die Grabgänger gedacht, lediglich in Ausnahmefällen nehme Ramseier auch Gäste einer Trauerfeier mit, wenn sie schlecht zu Fuß sind. Die Mitfahrt ist für die Friedhofsbesucher kostenlos, das in die aufgehängte Trinkgeldkasse gegebene Geld wird an alle der derzeit 65 Mitarbeiter des Friedhofs am Hörnli verteilt. „Die Gärtner und Grünpfleger haben ja einen körperlich viel anstrengenderen Beruf als ich“, sagt Ramseier. „Da wäre es unfair, wenn ich das Trinkgeld behalten würde, nur weil mein Kollege und ich am häufigsten direkt mit den Friedhofsbesuchern zu tun haben.“

Seit gut 20 Jahren verkehrt ein Shuttlebus auf dem Friedhof am Hörnli, wie Betriebsleiter Bernhard Meister sagt. Die Nachfrage sei in den vergangenen Jahren gestiegen, da die Menschen immer älter würden und dann mitunter schlecht zu Fuß seien. Im vergangenen Jahr haben rund 8000 Friedhofsbesucher das kostenlose Busangebot in Anspruch genommen.

Abseits des Busbetriebs stehen für Meister und sein Team die Arbeiten am neuen Krematorium an, das am 15. Juni eröffnet werden soll und das bisherige Gebäude, das abgerissen wird, ersetzt. Der Neubau erfülle die modernen Standards in Bezug auf die Lufthygiene besser als sein Vorläufer, sagt Meister.

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