Basel Seltenes Opern-Ereignis

Die Oberbadische
Der Prinz von Rom (Zachary Altmann) und die keusche Lucretia (Aidan Ferguson) Foto: Simon Hallström Foto: Die Oberbadische

Britten-Oper „The Rape of Lucretia“ am Theater Basel

Von Jürgen Scharf

Basel. Die Kleine Bühne ist eine sandige Dünenlandschaft. Vielleicht sollen die Sandhügel daran erinnern, dass Rom auf sieben Hügeln erbaut wurde. Für die Protagonisten der Benjamin Britten-Oper „The Rape of Lucretia“ bedeuten die Sandhaufen, in die sie einsinken, manchmal auch eine Rutschpartie. Bedrohlich der große dunkle, gebogene Lattenzaun, der sich hebt und senkt und den Raum veränderbar macht. Ein reduziertes, aber sehr ästhetisches Bühnenbild (Marianna Helen Meyer), das gute Kontraste bildet für die zweite Oper des englischen Komponisten, die am Theater Basel vom Opernstudio Oper Avenir produziert wird. Wie immer von jungen Kräften, die Bühnenerfahrungen sammeln als wichtiger Schritt zu professioneller Sängerkarriere.

Es geht in dieser antiken Geschichte, die zur Zeit der Tyrannenherrschaft der Etrusker in Rom spielt, um die als tugendhaft geltende Frau des Feldherrn Collatinus und um den jungen stürmischen Etruskerkönig Tarquinius, der Lucretia zum Sex verführen will und, als sie sich sträubt, vergewaltigt. Erzählt wird die Tragödie der Lucretia, die sich aus Schuldgefühlen selbst tötet („Death is woman’s final lover“), von einem Chor, bestehend aus zwei Erzählerfiguren, die in der stimmigen Inszenierung von Ulrike Jühe die Außenperspektive einnehmen. Sie setzen sich am Rande des Geschehens hin, erklimmen die Sandhügel, schlüpfen psychologisch in die Stückfiguren hinein, kommentieren das Geschehen und mischen sich in die Handlung ein.

Das Musiktheater über die Schändung der Lucretia hat viel tief innerlich gefühlte und erfüllte Musik, doch tragen christliche Untertöne, die den beiden Erzählern vorbehalten sind, eine etwas befremdliche Note in den Schluss hinein. Das mag vielleicht auch erklären, warum „The Rape of Lucretia“ keinen nachhaltigen Eingang ins Opernrepertoire gefunden hat wie etwa „Peter Grimes“ oder „The Turn of the Screw“.

Und doch hat gerade diese Kammeroper eine solche Raffinesse und Explosivität in der instrumentalen Kleinbesetzung und eine Präsenz im Stimmenklang, die diese zweistündige Oper auch in Basel zum Ereignis macht. Da agiert ein klanglich sehr durchsichtiges Ensemble aus 13 Instrumentalisten – Studierende der Musikhochschule, unter der konzisen Leitung von David Cowan –, das dem vergeistigten Komponisten Britten sehr nahe kommt. Die Aufführung imponiert mit Stimmenwucht. Die acht Sänger haben frische, unverbrauchte Stimmen, die Männer teils etwas laut; aber die Sänger werden vom Kammerensemble gut getragen.

Und so ergeben sich einige spannende Momente illustrativer, brillianter Theatermusik, etwa Tarquinius’ wilder, tollkühner Ritt nach Rom, ein Galopp, bei dem er den Tiber überquert und schon seinen Gaul zuschanden reitet, die eigentliche Vergewaltigungsszene mit rhythmisch konvulsiver Musik oder die Blumenorgie des zweiten Aktes mit zauberhaften Klängen. Oft hört man die Harfe, sie scheint ein Synonym für die weibliche Unschuld.

Mit dem virilen glatzköpfigen Zachary Altman hat man einen hellen, aber kraftvollen und sehr agilen Bariton als Prinzen von Rom, mit Jose Coca Loza einen tiefen, profunden Bass als Collatinus. Jason Cox als Junius ergänzt das gewichtige Männerterzett: allesamt stimmliche Kanonen für das Männermachtspiel, optisch in angedeuteten Rüstungen ausstaffiert.

Sehr feminin, aber mit dramatischer Stimme, glaubhaft und wandlungsfähig, verkörpert Aidan Ferguson mit warmem Alt die traumatisierte keusche Lucretia. Neben ihr agiert ein homogenes Damenensemble. Wichtig sind die beiden Erzähler, die von den Ereignissen berichten und eine Brücke zum Heute des Zuschauers schlagen.

Auch sie sehr gut besetzt mit der lyrischen Sopranistin Meike Hartmann und dem sehr klar deklamierenden Tenor Kang Wang. Ihnen obliegt es, die etwas aufgesetzt wirkende christliche Moral und die Parallele Lucretia-Maria zu „verkünden“. Es lohnt sich auch gerade deshalb, sich mit dieser selten gespielten Oper auseinanderzusetzen.

u  8., 11., 19., 25. April

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