Basel Spiel mit Deutung und Bedeutung

Die Oberbadische

Ausstellung Paul Chan im Schaulager in Münchenstein

Von Roger Lange

Münchenstein. Bemalte Buchdeckel als flächendeckende Wanddekoration, eine Computertastatur mit Grabstein-Tasten, Bedeutungen verschiebende Schriftensätze, endlos vernetzte Gerätekabel: Im Schaulager in Münchenstein flirrt die Semantik bei Paul Chans monumentaler Werkschau.

Erst 1973 in Honkong geboren und heute in New York tätig, blickt Paul Chan schon auf ein breit gefächertes Werk zurück. Er zeichnet, malt, installiert, produziert Videos, schreibt und verlegt Bücher, und er hält Vorlesungen. Chan sei „als Künstler schwer zu fassen“, sagte Kuratorin Heidi Naef kürzlich vor den Medien.

Man kann auch an der Oberfläche einsteigen und dabei Chans Spielwitz genießen. Schon der Doppelwand-füllende Blickfang seiner 1005 Buchdeckel umfassenden „Volumes“ beim Eingang - hier erstmals integral gezeigt - bietet Doppelbödigkeit: Die Bücher sind leer, die Deckel verändert, doch von Weitem lassen sich Buchstaben erahnen, wie aus Bildschirmpixeln zusammengesetzt.

Grauen und Poesie

Chan stellt alltägliche Wahrnehmungen und Kommunikationsmechanismen mit Verschiebungen und Transformationen in Frage. Als Verleger ein Büchernarr, wie er selber sagt, sperrt er etwa Bücher und Hefte in einer Vitrine ein, während daneben Tablet-Bildschirme munter vor sich hin blättern. Einem TV-Gespräch gibt er tonlos offensichtlich abstruse Untertitel.

Als guten Zeichner und Maler weist ihn die Installation „Waiting for Godot in New Orleans“ aus, die düstere Tierbilder mit skulpturalem Schrott und wenig Farbe an Textilien kombiniert. Poetischer sind seine kargen Videoräume der „7 Lights“-Serie, Fenster-ähnliche Projektionen langsam vorbeifliegender Objekte und Fragmente.

Die Welt als Kabelsalat präsentiert das Untergeschoss mit der „Arguments“-Serie; alles ist irgendwie verhängt - tatsächlich bis übers Hausdach zum Pfortenhäuschen. Vernetzungen und Verbindungen ohne Sinn und Ziel breiten sich da mittels Gerätekabeln und Schuhen aller Art aus, und Betrachtende finden sich mittendrin. Verweise auf Politik und Philosophie lauern überall, teils auch nur im Werktitel.

Irritierend farblos und doch kraftvoll ist Chans Auseinandersetzung mit Macht, Sex und Einsamkeit, etwa in „Sade for Sade’s sake“; da scheinen des Marquis’ rebellische Ideen in seriell-schablonenhaften Körperkonturen und deren ebensolchen Interaktionen auf. Bis plötzlich farbige Rechtecke die rohe Wand freundlicher scheinen lassen.

2000 Seiten Theorie und Bilder

Nach Ewigkeit und Vergänglichkeit fragt schließlich eine Steintafel mit futuristisch-unlesbarer Inschrift, die von Moos überwachsen wird. Für einen jungen Verleger und Künstler, der permanent aus dem vollen World Wide Web schöpft, ist dieses Werk namens „Holiday“ aus dem Jahr 2012 eine ungeheuer selbstironische Art von Grabstein.

Die Schaulager-Ausstellung sei wohl die größte, die er je machen werde, sagte Chan. Viereinhalb Jahre hatte sich der Künstler zurückgezogen und - minutiös bis ins 3-D-Hausmodell - daran gearbeitet; im Januar ist er samt Familie nach Basel gezogen und hat daneben Vorlesungen gehalten an der Universität und der Hochschule für Gestaltung und Kunst.

Weil all die Gedanken und Anspielungen kaum en passant zu erfassen sind, publiziert das Schaulager gleich vier facettenreiche Publikationen mit insgesamt gegen 2000 Seiten zur Chan-Show: ein Ausstellungsheft, einen Katalog, ein Textbuch sowie ein „New New Testament“ mit Materialien zu den geleerten „Volumes“-Buchdeckeln.

u  Ein Programm mit Gesprächen mit dem Künstler, Poetry Nights, Filmvorführungen, Vorträgen, Führungen und Werkbetrachtungen sowie einem Symposium begleitet die Ausstellung. Das detaillierte Programm wird auf www.schaulager.org publiziert.

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading