Von Dominik Vorhölter Was gilt heute als normal – im Mickey-Mouse-Jogginganzug rauszugehen gehen oder mit Glitzerschminke im Gesicht" Diese Fragen stellte unter anderem die Performance Twenty Four von dem Trio „We Ate Lobster“. Die drei Darsteller Miro Caltagirone, Wandy Wylowa und Kira van Eijsden spielten im Rahmen des Festivals „Wildwuchs“, das vergangene Woche im Roxy stattfand, Alltagsszenen aus einer Jugendpsychiatrie nach. Dabei bestimmten betroffene Jugendlichen, die in den Universitären Psychiatrischen Klinik Basel leben, selbst, was auf der Bühne geschieht. Es ist nicht alles „Psycho“, was in den 23 Stunden passiert, in denen die Jugendlichen nicht in der Gesprächstherapie sitzen. Regisseurin Deborah Neininger ist im Rahmen eines Filmprojekts, das sie gemeinsam mit ihrem Freund Jan Sulzer in der psychiatrischen Uniklinik Basel realisiert hatte, auf die Idee gekommen, dem dortigen Alltag der Jugendlichen näher zu kommen und ihn für die Außenwelt erlebbar zu machen. Dies ist stellte sie vor der großen Herausforderung eine Erzählform zu finden, die, ohne die Betroffenen zu entwürdigen, auch Einblicke in den Alltag der Psychiatrie liefert und vermittelt, dass dort nicht nur über die Krisen der Patienten gesprochen wird. „Mich interessierte der banale Alltag. Ich wollte erfahren, wie die Jugendlichen dort ins Bett gehen, wie sie ihre Medikamente einnehmen und was sie beschäftigt“, erklärte Neininger ihre Idee. Dann fing sie vor zwei Jahren an, im Rahmen eines Workshops Texte zu sammeln und war sehr überrascht von dem Ergebnis: Die Zeugnisse der Jugendlichen entpuppten sich teilweise als sprachliche hochwertig und somit war das Vorhaben, daraus eine Performance zu inszenieren, geboren. Aus dem gesammelten Material ist dann eine Partitur entstanden, die Basis für die Inszenierung wurde. Dabei hatten die Jugendlichen ein volles Mitbestimmungsrecht. Sie waren nicht beim Schreiben der Partitur, sondern auch bei der Gestaltung des Bühnenbildes voll beteiligt. „Wir haben die Anweisungen der Jugendlichen sehr ernst genommen, sodass wir auf der Bühne nur das sagen oder machen, was die Jugendlichen aufgeschrieben haben und spielen das so wie sie es sich vorgestellt hatten“, sagte Wylowa. Die Performance sollte einen Einblick in das Leben der Jugendlichen, liefern, die unter Schizophrenie, bipolaren Persönlichkeitsstörungen oder Ess- wie Zwangsstörungen leiden. „Ich wollte den Jugendlichen ohne Berührungsängste begegnen“, kommentiert Neininger. Dies ist ihr gelungen. 24 führte dem Publikum den Alltag aus einer Jugendpsychiatrie vor Augen, ohne dabei die Würde der Betroffenen zu verletzen. Die Performance hat es geschafft, einen gesellschaftlichen Bereich auf die Bühne zu heben, der kaum beachtet wird. So konnten die Zuschauereine Szene beobachten, in der die Schauspieler das Verhalten, Körpersprache und Bewegungen der Nachtwärter aus ihrer der Sicht der betroffenen Jugendlichen nachahmten. Ein. Nachtwärter forderte zu Beispiel ständig Umarmungen von seinen Patienten, der andere übersah Regeln, indem er mit den Patienten rauchen ging. Sie machten deutlich, dass auch die gesunden Menschen in der Psychiatrie sich nicht völlig normal verhalten. Die Inszenierung brachte die Zuschauer dazu, sich mit der Frage auseinander zu setzen, wo die Grenze zwischen Normalität und Verrücktheit liegen. Denn stellenweise wirkten die Darbietungen der Gruppe „We Ate Lobster“, als ständen einfache pubertierende Jugendliche auf der Bühne, die sich über den Sinn des Lebens, Liebe und Freundschaft austauschten.