Basel Um Leben und Tod

Die Oberbadische
Authentisch und lebendig wird der Grenzrundgang bei Riehen inszeniert. Foto: Ursula König Foto: Die Oberbadische

Theater: Szenischer Rundgang „Fast täglich kamen Flüchtlinge“

Von Ursula König

Riehen/Basel. „Halt! Schweizer Grenze. Hände hoch!“ Die Gruppe unweit des Inzlinger Zolls, die in das „Sperrgebiet“ geraten war, bleibt verunsichert stehen. Der Grenzschützer tauchte unvermittelt aus dem Dickicht auf. Es ist ein regnerisch kühler Maiabend, und die Gewitterwolken haben sich noch nicht verzogen.

Was die Teilnehmer des szenischen Grenzrundgangs an der Premiere kürzlich zum Auftakt erlebten, lässt das Schicksal vieler Flüchtlinge vor und während des Zweiten Weltkrieges erahnen. Der Rundgang, basierend auf dem Buch „Fast täglich kamen Flüchtlinge“, von Lukrezia Seiler und Jean-Claude Wacker, widmet sich dem Geschehen an der Schweizer Grenze, die für Juden aus Deutschland, Zwangsarbeiter und politisch Verfolgte, oft die letzte Hoffnung auf ein Überleben bedeutete. Doch die Sicherheit war trügerisch, wie die beiden Schauspieler Sasha Mazzotti und Simon Grossenbacher an mehreren Stationen verdeutlichten. In der Gestalt hiesiger Landfrauen, eines Zöllners, eines französischen Flüchtlings und einer deutschen „Halbjüdin“ loteten sie die Extreme zwischen Verrat, Gesetzestreue und Menschlichkeit aus.

Ergänzende Informationen von Gaspare Foderà, Leiter der Dokumentationsstelle in Riehen, ließen das Bild einer mit Stacheldraht weitläufig gesicherten Grenze zur Schweiz entstehen, die nur ein „Schlupfloch“ bot; die „Eiserne Hand“. Das Gebiet wurde scharf patrouilliert. Es gab für Flüchtlinge in der Dunkelheit keine Orientierung und der Grenzwächter, der emotional aufgewühlt seine „Erinnerungen“ weitergibt, erzählt von scharfen Pistolenschüssen und von Schreien, die plötzlich verstummen.

Im Rahmen der Wenkenhof Gespräche „Die grosse Flucht – die grosse Furcht“ wird mit dem Rundgang unter der Regie von Barbara Rettenmund auch ein Stück Geschichte aufgearbeitet, die auf beiden Seiten der Grenze mit großem Leid verbunden war. Die Menschen in Riehen erlebten die Zeit des Nationalsozialismus und das Kriegsgeschehen teilweise hautnah. „Die grosse Flucht“; kein Thema könnte derzeit aktueller sein, um sich mit Werten wie Demokratie und der Bereitschaft zu teilen, auseinanderzusetzen. Mit einem entscheidenden Unterschied: Damals, in den Wirren des Zweiten Weltkrieges hatte die Riehener Bevölkerung selbst nur wenig zu essen. Die Menschen in Riehen waren sich einer allgegenwärtigen Bedrohung bewusst. Es waren zudem von der Berner Regierung strenge Regeln zum Umgang mit Flüchtlingen erlassen worden. Und längst nicht alle Deutsche, denen die Flucht in die Schweiz gelungen war, erlangten in den ersten Jahren ein Bleiberecht. Sasha Mazotti und Simon Grossenbacher gelingt es, mit wenigen Requisiten und in Originalkostümierung, sehr viel emotionale Betroffenheit zu vermitteln und ein Geschehen lebendig werden zu lassen, dass Lektionen bereithält für einen menschlichen Umgang in der derzeitigen Flüchtlingssituation.

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