Basel Unheimliche Wetterkapriolen

Die Oberbadische
Urs Widmer Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Theater Basel: „Föhn. Ein zyklisches Wetterspiel“

Von Irene Widmer

Basel. Das Theater Basel hat die Saison mit „Föhn. Ein zyklisches Wetterspiel“ eröffnet – einem musikalischen Stück, basierend auf dem letzten Text des im April verstorbenen Schweizer Autors Urs Widmer.

Der Föhn ist wie die Windsbraut eine Frau. Wenn sie betörend singend im wallenden Gewand die steile Gips-Felswand im Foyer des Theaters Basel herunterschreitet (atemberaubend die Weltklasse-Sopranistin Susanne Elmark), lechzen die Bauern im Tal nach ihr. Doch sie hat Höheres im Sinn.

Wenn sie im Vorbeigehen einem Bauern zwischen die Beine fasst und seine Leidenschaft entzündet, ist das ein „Kollateralgewinn“. Und während in der Talschaft Männer und Frauen übereinander herfallen, „im Stall, in den Kartoffeln, im Bett“, zieht sie ihrem Geliebten, der Brise zu. Die gewittrige Vereinigung überleben beide nicht.

Nachdem die Föhnbraut in ihrer rasenden Geilheit Brände im Tal entfacht hat, strömt das Wüetisheer der Tode vom Mannsberg herunter und treibt die Seelen der Verstorbenen vor sich her, vom Pfarrer bis zum Baby. Genug, finden die Männer. Sie ziehen wehrhaft den Berg hinauf und vertreiben die Tode – bis die Föhnbraut das nächste Mal wieder den Hang herunter weht.

Das meiste der von Urs Widmer erfundenen, respektive alpinen Mythen nachempfundenen Legende wird von einem Erzähler rezitiert, der in einer Art Eisenbahn-Draisine um den Berg herumgeschoben wird. Widmer hatte ursprünglich geplant, den Part selbst zu übernehmen.

Hans Rudolf Twerenbold, der den Verstorbenen nun ersetzt, ähnelt ihm verblüffend in Aussehen und Sprechweise. Ein bisschen mehr und wirrere Haare, und man hätte ihn für den Wiedergänger des Autors gehalten – unheimlich, wie der Rest des Stücks.

Den größten Anteil des Spiels leistet das Ensemble Phoenix, das in Fortunat Fröhlichs Komposition die Rolle der Natur übernimmt, sowie der Föhnchor, der die Bauern der Talschaft repräsentiert – das Orchester urwüchsig grollend, drohend, zirpend, blökend und so weiter, der Chor „zivilisierter“, weniger dissonant, manchmal sogar jodelnd nach allen Regeln der Kunst. Oder zynisch „Luegid vo Bärge u Tal...“ anstimmend.

Die Düsterkeit wird aufgehellt durch ein knorziges altes Bauernpaar (Carina Braunschmidt und Martin Hug), das gleichsam die Pausenclowns spielt. Die beiden haben sich seit 50 Jahren nicht mehr ins Gesicht geblickt, weil sie stets nach oben starrt, er nach unten. Wie die Schönwetterfrau und der Regenmann aus dem Wetterhäuschen begegnen sie sich nie.

Zur Auflockerung trugen auch einige Regieeinfälle von Christian Zehnder bei – beispielsweise ein von der unbemannten Draisine „gesungener“ Berner Rap. Oder der Schlussteil von Widmers Text der an die Decke des Theaterfoyers projiziert wurde, wie die Irrlichter, die das Föhnwetter an die Decken der Bauernhäuser strahlt.

Am meisten Genuss an der Aufführung werden Freunde der Neuen Musik haben. Doch auch wer damit weniger am Hut hat, langweilt sich nicht. Allein der Auftritt der Föhnfrau Elmark, welcher Fröhlich nach eigenen Aussagen eine „mörderisch schwierige Rolle“ komponiert hat, ist den Besuch wert. Doch es gilt sich zu beeilen. Vorerst sind nur noch Aufführungen am 24. und 25. September geplant.

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