Basel Zweidimensional und viel Symbolik

Die Oberbadische
Foto: Simon Hallström Foto: Die Oberbadische

Theater: Premiere von Schillers „Tell“ am Basler Theater

Von Dorothee Philipp

Basel. Eine Wand aus schwarzen Holzplanken, darin eingestanzt ein riesiges Kreuz: Das Bühnenbild für Schillers „Tell“ am Basler Theater ist gewaltig. Die Aktion findet in der Quer- und in der Längsachse des Kreuzes statt und auf dem schmalen Streifen vor der Wand. Oder sind das die Stollen und der Zugangsschacht eines Bergwerks?

In den Stollen ist die Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt, Schillers mächtig handelnde Gestalten können hier lediglich sitzen oder kriechen, heroische Posen sind unmöglich. Der Schacht ist immer wieder Schauplatz für Überraschungen: Gleich am Anfang hangelt sich üppig mit Theaterblut verschmiert Baumgarten aus der Tiefe, der den Schänder seiner Frau mit der Axt ins Jenseits befördert hat und nun auf der Flucht nach seinen Häschern einen Kahn braucht.

Die Handlung ist bekannt. Doch wie bringt man Schillers Verse neu zum Sprechen? Da hilft ein Metronom: Es tickt laut und unerbittlich, ein behäbiges Tempo, das den Takt der fünfhebigen Jamben ins Pathetische steigert und die einzelnen Silben zu Sprechereignissen werden lässt, da und dort einen Anflug von Komik eingeschlossen. „Wer ist der Mann, der hier um Hilfe fleht?“, so klingen auch Kinderreime. Und so kann später „Der Starke ist am mächtigsten allein“ eher Lachreiz als Ehrfurcht wecken. Der Fährmann antwortet dem Verzweifelten als dreifach besetzter Sprechchor, auch das eine glänzende Idee der mehrfach reflexiven Betrachtung des Stoffs.

Fantastisch gelungene Travestie

Dann wandelt sich das gebieterische Ticken in ein dumpfes Pochen, die Szene wechselt, Frau Stauffacher bringt ihren Mann mit weiblicher Diplomatie auf erste Gedanken der Rebellion. Sie wird, wie auch Tells Gattin Hedwig, das Fräulein Berta und die Bäuerin Armgart, als fantastisch gelungene Travestie von einem Mann gespielt – eine Anspielung auf die Schweiz, die Frauen so spät politische Rechte eingeräumt hat? Oder eine Reminiszenz an Shakespeare, der das weibliche Geschlecht ebenfalls von der Bühne verbannt hat?

Dafür agieren die männlichen Helden in einer schillernden Ambivalenz zwischen kernigem Bergler und weibischem Softie. Der zerschlissene Daunenjacken-Schmuddellook macht diesen Zwiespalt sichtbar. Wenn Uli von Rudenz, ein gelacktes Männchen im Steppanzug später sein Bekenntnis zu den Eidgenossen deutlich macht, hat auch er ein Fell über die Schultern und Blut auf den nackten Armen. Dann gehört er richtig dazu.

Die akustische Untermalung (DJ Fink) jongliert mit allerlei Geräuschen, Sturmgeheul, elektronisch stilisierten Kuhglocken, psychedelischem Gesäusel, rebellischem Trommelgeflüster und einer bombastischen Filmmusik zur Schilderung des Tellsprungs. Sie begleitet den Monolog des Helden mit theatralischem Crescendo, zu dem die anderen frenetisch „Tell, Tell“ skandieren. Und immer wieder dieses Ticken, das die Sprechweise der Akteure an die kurze rhythmische Leine nimmt. Die klingen da wie auswendig gelernt, dort wie Zaubersprüche, können sich aber auch unversehens in Rap verwandeln.

Zweidimensionale Guckkastenbühne

Ein Bilderbuch ist es, in dem uns Regisseur Stefan Bachmann blättern lässt auf dieser zweidimensionalen Guckkastenbühne mit ihren rechtwinkligen Koordinaten – sind sie gar das Schweizerkreuz?

Viel Symbolik lässt sich mit dem kargen Bühnenbild transportieren, etwa wenn der Landvogt in Zeitlupe im Fadenkreuz der beiden Spielachsen sein Leben aushaucht. Eine positiv irre Idee ist es, den alten Attinghausen als überdimensionale Raupe in die Handlung einzuführen. Die Raupe wird vielleicht analog ihren Vorbildern in der Natur etwas Besseres, federleicht und bunt. Denn als Attinghausen das Zeitliche segnet, spricht er vom neuen Leben, das aus Ruinen blüht.

Die Figuren werden zu Platzhaltern für die innere Imagination, bewegen sich wie von unsichtbarer Hand gesteuert. Zu gewichtig und kontrovers sind Themen in Schillers „Tell“ wie Tyrannenmord, Ehre und Vaterlandsliebe, die in den falschen Händen einen schlechten Beigeschmack erhalten können.

Eine wichtige Position in der Besetzung nennt das Programmheft, die sonst selten vorkommt: Körperarbeit. Sabina Perry hat dafür gesorgt, dass die Akteure an der glatten Wand und in den beengten Stollen eine gute Figur machen.

Der Schluss ist so wuchtig wie das Stück: Mit einem mächtigen Rumms schieben sich zwei betongraue Wände von oben und unten herkommend zusammen. Der Berg hat sich wieder geschlossen. Ein Theatervorhang wäre da ganz und gar unpassend.

  Termine: 27. Februar, 5., 19., 23. und 28. März

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading