Binzen Alte Transport- und Wirtschaftsachse

Weiler Zeitung

Interview: Kreisarchivar Oliver Uthe über die fünf Jubiläumsdörfer und ihre Bedeutung in früheren Zeiten

Vor 1250 Jahren wurden fünf heute noch bekannte Dörfer verkauft. Der Kaufvertrag aus dem Jahr 767 stellt den ältesten Nachweis ihrer Existenz dar. Deshalb wird in Haltingen, Eimeldingen, Binzen, Rümmingen und Wollbach in diesem Jahr Jubiläum gefeiert.

Kandertal. Eine gemeinsame Ausstellung im Dreiländermuseums in Lörrach ist noch bis zum 26. März zu sehen. Im Interview mit Alexandra Günzschel blickt Kreisarchivar Oliver Uthe weit in die Geschichte zurück.

Herr Uthe, vor 1250 Jahren wurde auf einen Schlag das halbe heutige Vordere Kandertal verkauft. Was haben Sie über diesen „Deal“ herausgefunden?

In einem Kaufvertrag überträgt der fränkische Graf und hohe königliche Amtsträger Ruthard mehrere Güter im südlichen Breisgau an Fulrad, den Abt des Klosters Saint-Denis bei Paris. Ungewöhnlich an dem Geschäft ist die hohe Stellung der beiden Männer.

Aus Sicht des Grafen sind die Orte an der Kander als entlegener Besitz kaum von Nutzen, während ihn der Kaufpreis – nach heutigem Maßstab ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag – auf einen Schlag reicher macht.

Dagegen möchte der Käufer Fulrad, der aus dem Elsass stammt, in seiner Heimat ein Tochterkloster von Saint-Denis errichten. Die Abtei Leberau (heute Lièpvre bei Schlettstadt/Selestat) wird von ihm 770 gegründet und ist nur einen Tagesritt vom Kandertal entfernt. Möglicherweise kamen die steuerlichen Abgaben aus den zuvor erworbenen Gütern auch dieser jungen Klostergemeinschaft zugute.

Offenbar hatten die beiden Vertragspartner aber „vergessen“, für das Geschäft die königliche Erlaubnis einzuholen. Denn 23 Jahre später werden dieselben Orte von Karl dem Großen noch einmal an Saint-Denis übergeben – diesmal als Schenkung.

Waren es bedeutende Ländereien, die da verkauft wurden?

Zumindest gibt es keinen Ort im seinerzeit dünn besiedelten Landkreis, der so früh erwähnt wird wie Kandern. Bereits 733 wurde die Siedlung an die bedeutende Abtei St. Martin in Tours im Loiretal verkauft.

Leicht abbaubare Erzbestände haben Kandern damals zum wirtschaftlichen Zentrum werden lassen. Das daraus gewonnene Eisen war wichtig für Rüstungen und Waffen. Insofern kann man nachvollziehen, warum gerade Kandern so früh genannt wird.

Früh genannt wird aber auch Kirchen an der damaligen Kandermündung und am Fernweg von Basel in Richtung Maingebiet. Wahrscheinlich handelte es sich um einen sehr alten Zentralort mit Verwaltungssitz. Heute prägende Städte wie Weil am Rhein, Lörrach oder Schopfheim spielten in dieser Zeit dagegen kaum eine Rolle. Die Jubiläumsgemeinden können hier ein weit ehrwürdigeres Alter vorweisen.

Können Sie etwas darüber sagen, wer damals in dieser Gegend lebte?

Alemanische Wohnstätten wurden stets nach ihrer topografischen Lage oder einem Adligen benannt. Dies trifft auf die drei westlicher gelegenen Gemeinden zu. So geht der Ortsname Binzen auf die „Binsen“ am Flussufer zurück, Eimeldingen auf einen gewissen Agino oder Egino und Haltingen auf Ha(r)olt.

Bei den beiden östlichen Dörfern liegt der Fall anders. Hier wohnten wahrscheinlich Leute, die bereits zur Römerzeit ansässig waren und noch lange romanisch sprachen und als „Welsche/Walser“ galten. Ihr „Kauder-Welsch“ erschien den übrigen Anrainern wohl so bemerkenswert, dass es sich in den historischen Namensformen „Walapah“ (Wollbach) und „Romaninchova“ (Rümmingen) niederschlug. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass dort römische Spezialisten für die Eisen- und Glasherstellung lebten oder dann im Frühmittelalter aus der Loire-Gegend kamen.

Können Sie etwas darüber sagen, was aus den drei Siedlungen im Kaufvertrag wurde, die sich keinem heute existierenden Dorf mehr zuordnen lassen?

Die Bevölkerung nahm seinerzeit langsam zu. Später gab es dann, etwa wegen der Pest, Bevölkerungseinbrüche, und Streusiedlungen in schlechteren Lagen wurden wieder aufgegeben. Da vor allem mit Holz gebaut wurde, blieb von diesen Wüstungen oft nichts übrig. Vermutlich lagen auch diese drei Siedlungen an der Transport- und Wirtschaftsachse in der Umgebung der Kander.

Für die abgegangene Siedlung „Tohtarinchova“, die vor 50 Jahren noch irrtümlich für Tumringen gehalten wurde, gibt es aufgrund von Flurnamen eine neue Vermutung. Sie könnte im heutigen Bereich „Käppele“ auf Gemarkung Kandern-Riedlingen gelegen haben.

Welche Schwierigkeiten tauchen bei einer solchen Recherche auf?

Grundlage der Recherche war der Kaufvertrag. Diese Zeit ist ansonsten aber eine Art „Black Box“, über die wir nur wenig wissen. Es gibt immer nur kleine Schlaglichter darauf, wie zum Beispiel eine solche Urkunde. Wir versuchen das dann mit Funden aus der Zeit in Verbindung zu bringen.

Eine wertvolle Quelle sind alte topografische Namen, Fluss- und Bergnamen erweisen sich da oft als besonders beständig. So stammen die Namen für Rhein, Rhône oder Kander zum Beispiel noch aus der keltischen beziehungsweise vorkeltischen Zeit. Im Fall von Kandern wurde der wichtigste Ort am Fluss erst später nach dem Gewässer benannt.

Die Sonderausstellung „1250 Jahre - Wir feiern!“ im Dreiländermuseum in Lörrach (Hebelsaal) ist noch bis zum 26. März zu sehen.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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