Binzen Bewegte Jahre unter Bürgermeister Fritz Schweigler

Weiler Zeitung
Altbürgermeister Fritz Schweigler Foto: zVg Foto: Weiler Zeitung

Ortsgeschichte Teil IX: Binzener Geschichte in zehn Teilen: Das Gewerbegebiet entsteht / Flurbereinigung

Von Hubert Bernnat

Binzen. Der Aufschwung Binzens begann in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. 1955 war Fritz Schweigler zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt worden. Er übte dieses Amt bis 1989 aus und wurde nicht nur durch diese Kontinuität zu einem Glücksfall für Binzen.

Er packte mit Unterstützung des Gemeinderats viele Aufgaben an: Straßen wurden geteert, die Wasserversorgung verbessert und ausgebaut, die Kanalisation in Angriff genommen, der Sportplatz eingeweiht und neue Baugebiete erschlossen. Für Wasser- und Abwasserversorgung hatte man sich mit umliegenden Gemeinden zu Zweckverbänden zusammengeschlossen.

Anfang der 60er Jahre betrug die Einwohnerzahl schon 1500 mit steigender Tendenz. Damit wohnten 500 Menschen mehr im Ort als noch bei Kriegsende, darunter waren viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Deren Integration war eine der großen Aufgaben geworden.

Binzens Aufschwung wurde aber auch durch den Umstand begünstigt, dass der aus dem Ort stammende Unternehmer Werner Glatt 1959 die Gebäude der leer stehenden unteren Mühle kaufte und dort ab 1961 seine Firma für Wirbelschichttrockner für die chemische und pharmazeutische Industrie aufbaute. Es war der Beginn des erfolgreichen Gewerbegebiets Steglinsmatten und einer der Gründe dafür, dass Binzen von einer Zuschussgemeinde zu einem Ort wurde, der über erhebliche Gewerbesteuereinnahmen verfügte. Zum ersten Mal gab es in Binzen nun auch eine respektable Zahl an Arbeitsplätzen, zumal der Erfolg der Firma Glatt weitere Firmen zur Ansiedlung anziehen sollte.

Schweiglers Weitsicht war es zu verdanken, dass sowohl für das Wohnen als auch für das Gewerbe bisherige landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung gestellt wurden. Eine weitere zukunftsweisende Entscheidung hatte der Gemeinderat 1963 gefällt, als es um die erste Wiederwahl Schweiglers ging. Binzen bekam nun einen hauptamtlichen Bürgermeister, denn es war klar, dass die Gemeinde mit den gewachsenen Aufgaben nun nicht mehr ehrenamtlich „nebenher“ verwaltet werden konnte.

1961 wurde der Kindergarten, 1966 die Schule neugebaut. Das Rathaus zog in die bisherige Schule um, die Verwaltung hatte mehr Platz. Doch die großen Herausforderungen sollten noch folgen: die Flurbereinigung und der Kampf um die Selbstständigkeit.

„Der eigentliche Auslöser der Flurbereinigung (im Markgräflerland) kam mit dem Bau der Rheintalautobahn. Die Autobahn beanspruchte größere, bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen. Um den Landverlust nicht nur wenigen, direkt von der Trassenführung betroffenen Landwirten aufzuerlegen, wurden sogenannte Zweckverfahren angeordnet, in welchem in jeweils einem größeren Gebiet alle Landwirte mit dem Flächenabzug für die Autobahn belastet wurden und gleichzeitig die Zerschneidungsschäden durch die Schaffung eines neuen Feldwegenetzes beseitigt und der zersplitterte Grundbesitz durch Zusammenlegung bereinigt wurde.“

Dieser Prozess begann für Binzen 1968 und er war dringend notwendig, da die historisch gewachsene Zersplitterung der landwirtschaftlichen Flächen viele Betriebe an den Rand ihrer Existenz brachte. Vor allem der Einsatz von Maschinen war kaum möglich. Binzen war weniger durch die Rheintalautobahn, sondern mehr durch die A 98 betroffen, die zuerst als Ortsumfahrung Binzens gebaut und im April 1974 freigegeben wurde. Dies brachte eine wesentliche Entlastung der Ortsdurchfahrt vom Autoverkehr.

Für die Flurbereinigung musste alleine auf Binzener Gemarkung mit etwa 1000 Grundbesitzern über 6500 Grundstücke verhandelt werden, die zusammen eine Fläche von 840 Hektar hatten. Rund 4000 Grenzsteine mussten neu gesetzt und die Neuverteilung musste anschließend ins Grundbuch eingetragen werden. Mit einbezogen in die Flurbereinigung waren zudem Ötlingen, Eimeldingen und Tumringen.

Man kann sich die Dimensionen dieser größten Infrastrukturmaßnahme der Binzener Geschichte heute kaum mehr vorstellen. Max Itzin, der dieses Projekt als Binzener Vertrauensmann über die 30 Jahre dauernde Flurbereinigung betreute, erzählt von den Schwierigkeiten und der ungeheuren Arbeit. Doch letztendlich ist er stolz darauf, dass es nur in einem Fall zu einer juristischen Auseinandersetzung kam und dies im Dorf zu keinen großen Verwerfungen führte. Aus heutiger Sicht wird die große Leistung der Flurbereinigung allgemein anerkannt. Viele kleinere Betriebe und Nebenerwerbslandwirte gaben damals ihre Flächen auf und sorgten damit dafür, dass einige größere diese Flächen aufkaufen konnten und somit bessere Zukunftschancen hatten. Dies gilt vor allem für die Winzer.

In den 60er Jahren reiften in Baden-Württemberg zudem Pläne zu einer großen Verwaltungsreform heran. Kleinere Gemeinden sollten größeren angeschlossen werden. Man wollte lebensfähige Gemeinden schaffen, die die gestiegenen Anforderungen der Menschen an die Infrastruktur eines Ortes auch zur Verfügung stellen konnten.

Schweigler ergriff die einzige Möglichkeit zur Selbstständigkeit beim Schopfe, indem er Eimeldingen, Rümmingen, Fischingen, Schallbach und Wollbach dazu bringen konnte, gemeinsam einen Gemeindeverwaltungsverband (GVV) zu gründen. Er ist eines der wenigen gelungenen Beispiele in Baden-Württemberg für einen freiwilligen Zusammenschluss. Dieser GVV Vorderes Kandertal besteht bis heute und hat seinen Sitz in Binzen.

Berücksichtigt man noch, dass 1978 durch ein erneutes verheerendes Hochwasser die aufwändige Kandersanierung ausgelöst wurde, so kann man getrost sagen, dass die Jahre von 1968 bis 1978 für Binzen mit Flurbereinigung, Kandersanierung und Erreichung der Selbstständigkeit im Gemeindeverwaltungsverband die entscheidenden Jahre der Nachkriegszeit waren. Alle drei großen Aufgaben konnte die Gemeinde erfolgreich bewältigen und somit den Grundstein für die heutige gute Lage legen. Alle drei Aufgaben sind aber auch mit dem Namen von Bürgermeister Fritz Schweigler verbunden.

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