Boxen In den USA schlägt Golowkin voll ein

Jochen Klingovsky
  Foto: EFE

In Deutschland ist Gennady Golowkin ein Niemand. In den USA ist der Mittelgewichts-Boxer hingegen einer der größten Stars im Ring. Die Amerikaner lieben ihn für seine spektakuläre Art zu kämpfen.

New York/Stuttgart - Sie nennen ihn „Mittelgewichts-Monster“, „Panzerkreuzer Golowkin“, „Kasachischer Killer“ oder „Knock-out-König“. Gut, das kann einem schon einfallen angesichts einer K.-o.-Quote von 89 (!) Prozent – der WBA-Weltmeister hat alle seine 29 Kämpfe gewonnen, 26 davon vorzeitig. Wenn Gennady Golowkin allerdings in seinem Stuttgarter Lieblings-Italiener La Commedia sitzt und mit der Gabel langsam Spaghetti aufwickelt, dann ist von der Kraft und Explosivität, die in diesen Armen steckt, nichts zu spüren. Und in den Augen nichts von dem Willen und der Fokussiertheit zu sehen, die ihn im Ring auszeichnen. „Boxen“, sagt Golowkin (32), lächelt und nippt am Wasserglas, „ist mein Leben. Es gibt nichts, was ich besser kann.“

Das stimmt. Im Ring wird Golowkin, der Mann mit den weichen Gesichtszügen, zur Kampfmaschine. Er dominiert nicht nur das Mittelgewicht (bis 72,5 kg), es gibt nicht wenige Experten, die meinen, er gehöre zu den besten Boxern überhaupt – weltweit, unabhängig von der Gewichtsklasse. „Er zählt zu den fünf, sechs spektakulärsten Boxern, die es gibt“, sagt Trainerlegende Fritz Sdunek. Und Ex-Weltmeister Graciano Rocchigiani meint: „Golowkin würde sogar eine Klasse höher im Supermittelgewicht alles plattmachen. Gegen ihn hat keiner eine Chance.“

Da will Bernd Bönte nicht widersprechen. Er ist der Manager der Klitschko-Brüder, für deren Stall K2 auch Golowkin boxt. Wenn Bönte nach den derzeit besten Boxern gefragt wird, fallen ihm fünf Namen ein: Floyd Mayweather, Manny Pacquiao, Wladimir Klitschko, Bernard Hopkins – und Gennady Golowkin. „Er ist technisch herausragend, hat aber auch einen enormen Punch“, sagt Bönte, „das ist Gold wert. In der Boxszene ist Golowkin ein Star.“

Und trotzdem kennt ihn in Stuttgart kaum einer – nur der Wirt im La Commedia weiß, wen er da gerade bedient hat. Ansonsten bleibt der gebürtige Kasache in der Stadt, in der er seit fünf Jahren lebt, unbehelligt. Mit seiner Frau Alina, die Medienwirtschaft studiert, und seinem Sohn Vadim (4) entspannt Golowkin zwischen den Kämpfen in Stuttgart, wo auch Freund und Manager Oleg Herrmann zu Hause ist. Sein Geld aber verdient der Boxer in den USA.

In Deutschland verschmäht, in den USA geliebt

Und dort herrscht Rummel statt Ruhe. Viele Amerikaner lieben das Boxen, und sie verehren Boxer, die andere mit einem Schlag in den Ringstaub schicken können. Golowkin ist zwar in einem Land geboren, von dem sie nicht wissen, wo es liegt, und er trägt einen Namen, den sie weder buchstabieren noch aussprechen können – aber sie schauen seine Kämpfe. Golowkin steht beim Pay-TV-Riesen HBO unter Vertrag, der nicht nur das Duell gegen Ex-Weltmeister Daniel Geale (Australien) an diesem Samstagabend im Madison Square Garden in New York zeigt (auch Sat 1 überträgt ab 4.20 Uhr/MESZ), sondern danach auf jeden Fall noch fünf weitere Kämpfe. Ein solcher Vertrag ist wie ein Ritterschlag. „HBO zeigt nur die Besten der Besten“, sagt Oleg Herrmann, „und auch nur dann, wenn sie attraktiv kämpfen.“

Das tut Golowkin, der im Gym von Abel Sanchez trainiert, in Big Bear in den Bergen Kaliforniens, zwei Autostunden entfernt von Los Angeles. Dort treffen sich viele gute Boxer, doch keiner ist derzeit so populär wie Golowkin, der Auszeichnungen sammelt wie andere Leute Strafzettel. Nicht nur HBO ehrte ihn als Boxer des Jahres 2013, sondern auch das „Ring Magazine“ sowie die Internet-Experten von Yahoo-Sports und World Boxing News. Der TV-Sender ESPN kürte den Schlag, mit dem er im März 2013 in Monte Carlo den Japaner Nobuhiro Ishida in Runde drei niederstreckte, zum K. o. des Jahres. „Solche Auszeichnung sind für jeden Sportler wichtig“, sagt Golowkin, „sie sind eine direkte Bestätigung für die Leistung.“

Stark war Golowkin schon immer, doch seinen aktuellen Status musste er sich hart erkämpfen. 2004 holte er in Athen Olympia-Silber im Mittelgewicht, danach wurde er 2006 Profi bei Universum – und kaltgestellt. Der Hamburger Boxstall setzte auf Felix Sturm und Sebastian Zbik, versteckte Golowkin im Vorprogramm. Gleichzeitig war der Kasache ein Schutzschild für die Deutschen. Weil er in den Ranglisten aller Verbände ganz oben stand, musste jeder, der Sturm oder Zbik herausfordern wollte, erst mal Golowkin schlagen – und das war nicht möglich. „Ich wurde ausgenutzt“, sagt er, „es gab nicht mehr als leere Versprechungen.“ Und danach einen langen Rechtsstreit, weil Universum die 2010 ausgesprochene Kündigung nicht akzeptieren wollte. „Ich habe viel Zeit verloren“, sagt Golowkin.

Aber auch den Kampf gegen Universum hat er gewonnen. Nun gibt es nur noch ein Ziel: Er will gegen die Besten boxen. Zu diesen gehört Felix Sturm, der ihm jahrelang aus dem Weg gegangen ist, nicht mehr. Um vom Star zum Superstar zu werden, muss Golowkin – so wie Wladimir Klitschko – die Gürtel mehrerer Verbände einsammeln. Deshalb hat er es auf Miguel Cotto (WBC), Sam Soliman (IBF) und Peter Quillin (WBO) abgesehen. Dass ihn einer der anderen Weltmeister schlagen könnte, das hält Boxexperte Jean-Marcel Nartz für höchst unwahrscheinlich: „Golowkin ist eindeutig der beste Mittelgewichtler der Welt.“

Bleibt die Sache mit der Popularität. Und dem Geld. Bei seinen zwei Kämpfen in Monte Carlo lernte Golowkin das Fürstenpaar kennen, Albert und Charlène luden ihn sogar zu einer privaten Weinprobe ein. Das hat den Machern bei HBO gefallen, die Golowkin bei den Golden Globes im Januar schnell auch noch den berühmtesten Schauspielern Hollywoods vorstellten – Matt Damon bat ihn danach um eine private Trainingseinheit. „Ein populärer Boxer ist Gennady längst“, sagt Manager Herrmann, „nun entwickelt er sich zu einem populären Sportler.“

Wie viel dabei zu verdienen ist, darüber spricht Golowkin nicht. Experten gehen davon aus, dass seine Börse zwischen 500 000 und einer Million Euro pro Kampf liegt. Das sind zwar Peanuts im Vergleich zu den Summen, die ein Mayweather, Pacquiao oder Klitschko einstecken, doch die Entwicklung des Kasachen ist ja auch noch längst nicht zu Ende. Und aktuell liegt „Panzerkreuzer Golowkin“ voll auf Kurs.

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