E-Books im Buchhandel Mit dem Kleinen gegen Amazon

Daniel Gräfe
Stark gefragt: Elektronische Bücher fürs Tablet. Foto: dpa

Mit ihrem E-Reader Tolino jagen die deutschen Buchhandelsketten Amazon Marktanteile bei den elektronischen Büchern ab. Kleine Buchhandlungen bleiben dabei außen vor.

Stuttgart - Thalia, Hugendubel, Club Bertelsmann – die großen deutschen Buchfilialisten feiern im Markt mit den elektronischen Büchern einen unerwarteten Erfolg. Doch die kleinen Buchhandlungen bleiben weiterhin auf sich allein gestellt.

Spricht man in diesen Tagen über den Markt mit elektronischen Büchern, kurz E-Books genannt, fällt häufig das Wörtchen „Tolino“. Das Lesegerät lädt E-Books herunter und ist in der neuesten Version gerade mal 16 Zentimeter hoch und 178 Gramm leicht. Vor allem aber birgt der Kleine die großen Hoffnungen der deutschen Buchhandelsketten Thalia, Hugendubel, Weltbild und Club Bertelsmann. Sie haben vor einem Jahr den ersten Tolino in den Handel gebracht, um den Siegeszug von Amazons E-Reader Kindle aufzuhalten. Gebaut von der Deutschen Telekom, reicht er dem Kindle nicht nur preislich das Wasser. Auch in puncto Marktanteile holt er immer mehr auf: Mittlerweile hat er es auf Platz zwei im E-Book-Markt geschafft.

Die neueste Zahl stammt vom vierten Quartal 2013: 35 Prozent Marktanteil spielte der Tolino für die beteiligten Buchhändler ein, berichtet das Marktforschungsinstitut GfK. Mit 43 Prozent des Gesamtumsatzes ist Marktführer Amazon bereits in Schlagdistanz. Ein Vergleich: In den USA erreicht Amazon bei E-Books einen Marktanteil von 67 Prozent und in Großbritannien gar von 79 Prozent, berichtet die Studie „Global E-Book Report“ des Buchmarkt-Analysten Rüdiger Wischenbart.

Die großen Buchhandelsketten sind deshalb in Feierlaune. „In Deutschland ist es uns gelungen, diesem Trend etwas entgegenzusetzen“, jubelt Thalia-Pressesprecherin Mirjam Berle. Als „weltweit einzigartigen Schulterschluss“ feiert Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin der Buchhandlung Hugendubel, die Tolino-Allianz. Und Christoph Röck, Geschäftsleiter New Media und Digital bei Weltbild, sieht sich gar einen Schritt voraus: „Die Offenheit des Systems ist der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Wir verzichten bewusst auf einen goldenen Käfig für die Leser und lassen die Kunden selbst bestimmen.“

Dass der Tolino so erfolgreich ist, hat in erster Linie mit dem großen Marketingaufwand zu tun. Von „Millionen Euro“ spricht Ronald Schild, Geschäftsführer des MVB, einem Tochterunternehmen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der die Interessen von 5400 Buchhandlungen und Verlagen vertritt. Der Tolino punktet bei den E-Book-Lesern aber auch mit der großen Wahlfreiheit. Während man mit dem Kindle nur die Bücher lesen kann, die Amazon auf seiner Plattform verkauft, nutzt der Tolino das offene Epub-Format. Damit lassen sich im Prinzip alle elektronischen Bücher lesen, auch jene, die Stadtbibliotheken verleihen. Nur Amazon-Bücher sind davon ausgenommen. 15 Millionen E-Books wurden auf diese Weise bisher auf Tolinos heruntergeladen, teilt die Deutsche Telekom mit.

Was den Buchhandel am meisten freut: Im Geschäft mit elektronischen Lesegeräten und Büchern kann er gegenüber Amazon mit einer alten Tugend punkten: der Beratung. Viele Kunden lassen sich die Geräte in den Filialen erklären und beim Herunterladen der Bücher helfen. Gerade die etwas älteren Kunden seien mit der neuen E-Book-Welt, wie sie im Internet herrscht, überfordert. Einige Buchhandlungen haben dafür extra elektronische Stationen aufgebaut. Auf diese Weise binde der Buchhandel Kunden an sich, heißt es.

Der Handel mit E-Books wird immer wichtiger

Das ist wichtig, denn der Handel mit den E-Books wird immer wichtiger. Im vergangenen Jahr haben laut GfK 3,4 Millionen Deutsche E-Books gekauft – eine Million mehr als 2012. Damit hat das Geschäft mit den elektronischen Büchern die Schwelle zum Massenmarkt überschritten. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels schätzt, dass der Umsatzanteil der E-Books am Büchermarkt, Schul- und Fachbücher ausgenommen, im vergangenen Jahr bei 4,5 Prozent lag. Das ist fast doppelt so viel wie 2012. „Für den Buchhandel ist es unheimlich wichtig, dass er den Kunden E-Reader verkauft“, betont Schild. „Sonst kaufen sie die E-Books bei Amazon – und gedruckte Bücher gleich mit.“

Nur: Gerade die kleinen Buchhandlungen bieten den Tolino gar nicht an.

Der technische Aufwand, den Tolino in das eigene Buchgeschäft zu integrieren, sei für die kleineren Buchhandlungen zu groß, kritisiert Schild. Außerdem machten sie sich damit von den großen Buchketten abhängig. „Ich finde es grundsätzlich gut, dass es mit der Tolino-Allianz einen Gegenspieler zu Amazon gibt“, sagt Susanne Martin, Inhaberin der Stuttgarter Schiller Buchhandlung. „Es kann aber nicht sein, dass die Konditionen von Thalia oder Hugendubel diktiert werden. Kleine Buchhandlungen wären nicht gleichberechtigt.“ Und auch eine regionale Größe wie das Stuttgarter Buchhaus Wittwer ist nicht dabei, weil die Gespräche des Börsenvereins mit den großen Buchketten gescheitert sind. Konrad Wittwer sieht es mit Bedauern: „Das wäre für den Buchhandel eine Chance gewesen.“

Der Tolino könnte bald vielleicht auch ins Ausland verkauft werden

Etliche kleinere Buchhandlungen sind deshalb gar nicht in den Markt mit den elektronischen Büchern eingestiegen. Andere haben es selbst in die Hand genommen. Sabine Braun, Inhaberin der Stuttgarter Buchhandlung Pegasus, bietet den E-Reader Pocketbook an. Und das, obwohl sie selbst lieber Bücher riecht, wie sie sagt, und mit einer Kiste voller Ausgaben in den Urlaub fährt. „Aber wir dürfen uns nicht dagegen verwehren, wir müssen doch in Zukunft in allen Bereichen unsere Kompetenz zeigen“, sagt sie. Das Wort „Zukunft“ betont sie, denn derzeit lässt sich mit E-Readern und E-Books kaum ein Gewinn machen. „Es bleibt zu wenig hängen, weil wir die Kunden sehr intensiv beraten müssen.“

Die Tolino-Allianz ist da schon ein Stück weiter. „Sie hat gezeigt, dass der stationäre Buchhandel mit dem richtigen Fokus Amazon Paroli bieten“, sagt Schild. „Ich erwarte, dass es in Zukunft mit Amazon ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben wird.“ Und Tolino-Produzent Telekom wittert bereits das nächste Geschäft. Die neueste Version des Tolino, der Tolino Vision, hat die Bedienungssprache in Englisch integriert. Ein Hinweis darauf, dass der Tolino auch ins Ausland verkauft werden könnte. „Die Tolino-Partnerschaft steht für weitere Partner offen“, teilt die Telekom mit. „Das gilt auch international.“

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