Efringen-Kirchen (cl). Kirchen begeht in diesem Jahr, 1200 Jahre nach seiner ersten Erwähnung in einer Urkunde, ein rundes Jubiläum. Das Dorf ist weit älter, weiß man nicht zuletzt durch die Ausgrabungen des legendären Pfarrers Julius Schmidt. Er buddelte emsig auf dem Berg- und Kapfrain, wo er einen steinzeitlichen Glockenbecher, Keramik aus der Urnenfelderzeit und römische Mauerreste entdeckte. Er hatte aber eigentlich die Königspfalz „Chirihheim“ im Fokus, von der er in Urkunden gelesen hatte. Dabei hat er Kirchen wohl mit Kirchheim bei Molsheim im Elsass verwechselt. Was Schmidt ausgrub, waren die Mauern eines römischen Gutshofs, berichtet Museumsleiterin Dr. Maren Siegmann in der spannenden Festschrift „1200 Johr Chilche am Rhy“, die im Rathaus zu erwerben ist. Den Gutshof bauten die Römer auf dem Bergrain im zweiten Jahrhundert, und sie begannen auch, den Geländesporn militärisch zu befestigen, ehe die Alemannen der römischen Herrlichkeit ein Ende setzten, die sich später wiederum den Franken beugen mussten. Und erst in dieser Zeit, im siebten Jahrhundert, kehrte auf dem Bergrain wohl wieder dauerhaft Leben ein, ehe Kirchen 815 erstmals als „Chirihheim“ urkundlich erwähnt wird. Zur dieer Zeit gehörte der Ort mit einem „Königshof“ zum fränkischen Reichsgut. Dort muss um das Jahr 860 ein König mit seinem Gefolge genächtigt haben, Maren Siegmann vermutet in ihrem Aufsatz in der Festschrift, dass es nur Ludwig der Deutsche gewesen sein konnte. Damals hatten die deutschen Könige keine feste Residenz, sondern sie zogen als „Reisekönige“ unentwegt von Etappe zu Etappe. In einem Ort angekommen, warteten dort dann die regionalen Größen mit ihren Wünschen, und es wurde viel geschrieben, etwa Schenkungen und Urteile. Weil die Könige natürlich mit einem Tross reisten, brauchten die Etappenziele Infrastruktur, vor allem größere Räumlichkeiten. Schließlich geht es um mehrere hundert Leute, die untergebracht und verpflegt werden mussten. Auch waren Futter für die Pferde, Pergament, Tinte und Schreibfedern zu beschaffen. Wissenschaftlich gesichert ist jedenfalls, dass der deutsche König in Kirchen in seinem öffentlichen Schlafzimmer – kein Scherz, sondern damals so üblich – Urkunden ausgestellt hat; sogar den Namen des Schreibers kennt man, es war ein gewisser Theothartus. Da stellen sich einige Fragen: Wie und wo kann man sich das in Kirchen vorstellen" Und warum reiste der König nicht einfach ein paar Kilometer weiter nach Basel, wo er alles gehabt hätte, was er brauchte" Schlug der Tross in Kirchen, wie auch anderswo, eine Zeltstadt auf" Jedenfalls muss es in Kirchen einen Wirtschaftshof gegeben haben. Der größte und beste Raum war wohl das königliche Schlafzimmer, es war öffentlich, und alle konnten es für Rechtsgeschäfte nutzen. Der Königshof von Kirchen war auch ein Verwaltungsmittelpunkt, schreibt Maren Siegmann. Um Kirchen herum gab es eine Reihe von Höfen und königlichen Besitztümern, die vom Königshof aus verwaltet wurden. Zum Königshof von Kirchen gehörte auch noch der Rheinzoll, den alle vorbeifahrenden Schiffe berappen mussten. Da der Zoll in Urkunden extra genannt wird, weiß man, dass 894 letztmalig ein König in Kirchen war. 1007 gingen Hof und Zoll an das Kloster Stein am Rhein über, 1272 an die Habsburger, ehe sich 150 Jahre später die Spuren des Hofs im Dunkel der mittelalterlichen Geschichte verlieren. Es muss aber noch einen weiteren Hof im Dorf gegeben haben, nämlich in der Bromen. Der ging 1241 von den „Freien von Kirchen“, dem Dorfadel, an das Basler Stift St. Peter über, das bis 1803 den Zehnten im Dorf einzog.