Führung Der Umgang mit Fehlern

Hartmut Volk

In jedem Betrieb werden Fehler gemacht. Wie damit umgegangen wird, bestimmt auch den Unternehmenserfolg. Fehlertoleranz fördere Innovation, sagen Experten.

'Zu den geradezu klassischen Verhaltensfehlern von Unternehmern und Vorgesetzten gehört der wenig weitsichtige Umgang mit gemachten Fehlern', sagt Thomas Weegen, Geschäftsführer der auf Zusammenarbeit und Unternehmensentwicklung spezialisierten Unternehmensberatung Coverdale in München. Chefs sollten akzeptieren, dass Irren menschlich ist, dass sich ohne Irrtum und das Lernen daraus nichts und niemand weiterentwickelt. Wie es das russische Sprichwort so treffend sagt: 'Ohne etwas zu verpatzen, wird man nicht Meister.' Weegen weiß, 'dass fehlerfreies Arbeiten als betriebliche Zielvorstellung unverzichtbar ist.'

Nur eben als betriebliche Realitätsvorstellung sei sie außerordentlich entwicklungsfeindlich. So notwendig es sei, auf fehlerfreies Arbeiten hinzuwirken, so geradezu unsinnig sei es aber auch, das als strikte Arbeitsvorgabe praktisch zu verlangen und entsprechend jeden Fehler als persönliches Versagen und Ausdruck von Leistungsschwäche zu registrieren und anzuprangern. 'Diese Denk- und Handlungsweise zählt zu dem Schlimmsten, was sich ein Unternehmen selbst antun kann', warnt Weegen. Weniger die selbst bei größter Umsicht unvermeidlichen Fehler seien am gefährlichsten für den Unternehmenserfolg, sondern die Einschüchterung der Belegschaft, wenn man Fehler nicht toleriere. Denn dies laufe in der Praxis auf nichts anderes als einen sturen Dienst nach Vorschrift hinaus. Fehlerintolerantes Führungsverhalten fördere das individuelle Absicherungsverhalten und sorge so für die geistige Verkrustung der Organisation. Unüberlegter innerbetrieblicher Perfektionszwang sei existenzbedrohender als alle Wettbewerber zusammen.

'Fehler treiben die Erkenntnis voran'

'Fehler bestimmen unser Leben', sagt Professor Markus Ullsperger, Leiter der selbstständigen Forschungsgruppe Kognitive Neurobiologie am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln. Fehler, so Ullsperger, 'können fatale Folgen nach sich ziehen, tragen aber andererseits zur Optimierung unserer täglichen Handlungen bei. Überraschende und ungewollte Ergebnisse geben oft mehr Aufschluss als die bloße Bestätigung unserer Erwartungen.' Sein Fazit: 'Fehler treiben die Erkenntnis voran.' Das können sie aber nur dann, wenn sie offen gelegt und ohne vorauseilende Schuldzuweisungen vorurteilsfrei analysiert werden. 'Unsere Studien zeigen, dass eine Blame-Shame-Kultur nach Fehlervorkommnissen tödlich für das Lernen aus Fehlern ist. So werden nämlich Vorkommnisse unter den Teppich gekehrt und es wird nichts daraus gelernt', sagt Dr. Johannes Steyrer, Professor an der Interdisziplinären Abteilung für Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Und der Schweizer Krisenspezialist Professor Laurent F. Carrel, Biel, sagt: 'Sorgt eine kurzsichtige betriebliche Fehlerpolitik dafür, dass Fehler aus Selbstschutzgründen vertuscht oder, im Angstverfahren so gut es eben möglich ist, repariert werden, können sich selbst die simpelsten Fehler zu unkalkulierbaren Zeitbomben entwickeln. Verschwiegene und vertuschte Fehler können sich in Windeseile zu einer Fehlerwelle auswachsen und ein Unternehmen urplötzlich mit einer Situation konfrontieren, die nur noch schwer zu beherrschen und ohne größere Sach- und/oder Rufschäden anzurichten zu bereinigen ist.' Erinnert sei an den kanadischen Lehrer Laurence J. Peter, den Erfinder des 'Peter-Prinzips'.

Neue Wertschätzung des Erfahrungswissens

Das besagt: Jeder steigt in einer Hierarchie bis zur Stufe seiner Unfähigkeit auf. Peter hatte eine weitere Erkenntnis: 'Fehler vermeidet man, indem man Erfahrungen sammelt. Erfahrungen sammelt man, indem man Fehler macht.' Leider steht Erfahrung als Baustein der persönlichen Qualifikation heute nicht so hoch im Kurs. 'Mit der Wiederentdeckung des Wertes älterer Arbeitnehmer stellt sich auch neue Wertschätzung des Erfahrungswissens ein', berichtet der Esslinger Führungs- und Unternehmensethiker Professor Ferdinand Rohrhirsch, der auch als Coach arbeitet. Dieses Wissen gelte es zu nutzen.

Deshalb sein Rat an Betriebsinhaber und Vorgesetzten: 'Bewahren Sie sich das offene Ohr für Beobachtungen, Überlegungen und Anregungen aus der Belegschaft. Bewahren Sie sich die Bereitschaft, sich zu beraten und sich beraten zu lassen, die andere Meinung gelten zu lassen und sie im Führungsverhalten nicht reflexhaft als unerwünschte Belehrung von unten zu unterbinden.' Der Innsbrucker Managementforscher Professor Hans H. Hinterhuber bringt den kurzsichtigen Umgang mit Fehlern auf den Punkt: 'Mit taktischen Ja-Sagern und devoten Kopfnickern, mit Menschen, die aus Selbstschutzgründen geistig nur an der Leine ihres Vorgesetzten laufen und Fehler scheuen wie der Teufel das Weihwasser erobert kein Betrieb die Zukunft!' Er sagt: 'Zum betrieblichen Innovations- und Chancenmanagement muss immer auch ein kreatives Fehlermanagement gehören.'

Innovationsforscher Professor Oliver Gassmann, Direktor des Instituts für Technologiemanagement an der Universität Basel, schlägt dieselben Töne an: 'Führen muss Experimentieren ermöglichen, ja nachgerade zum Experimentieren auffordern. Wie anders als aus Versuch und Irrtum ergibt sich Entwicklung?' Er verweist auf Studien des Harvard-Professors Marvin Stern. Der fand heraus, dass sich Unternehmen mit einer starken Innovationskultur unter anderem durch Strategien und Maßnahmen zur Erhöhung der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sowie der Gestaltungsspielräume der Mitarbeiter auszeichnen. Dazu gehöre auch, betont Gassmann, 'die Möglichkeit, Ideen fehlertolerant erproben zu können.'

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