Angesichts drastisch gesunkener Flüchtlingszahlen hinterfragt der Landkreis Lörrach seine Pläne zum Bau weiterer Gemeinschaftsunterkünfte (GU) in Massivbauweise. Das Vorhaben, an der Kraftwerkstraße in Wyhlen Festbauten zu errichten, soll eingestampft werden. Von Tim Nagengast Grenzach-Wyhlen. Zwar ist das allerletzte Wort noch nicht gesprochen, doch sprechen die Asylbewerberzahlen eine klare Sprache. Nach dem Andrang im vergangenen Jahr ist seit der Schließung der Balkanroute der Dampf aus dem Kessel. Der Druck auf die Landkreise, Aufnahmeplätze für Flüchtlinge zu schaffen, ist deutlich gesunken. Kreistag letztes Wort Der Lörracher Kreistag hat das Thema Gemeinschaftsunterkünfte am kommenden Mittwoch auf der Tagesordnung seiner nächsten öffentlichen Sitzung. In der online im Bürgerinformationsportal des Landkreises abrufbaren Beschlussvorlage empfiehlt die Verwaltung dem Gremium, von den in Lörrach-Haagen und Wyhlen geplanten Bauvorhaben Abstand zu nehmen. Flüchtlingszahlen sinken Mit Stand von Ende August waren in den 19 GUs des Landkreises 1877 Menschen untergebracht. Damit ist mittlerweile jeder fünfte der 2349 Plätze leer. Laut den Sitzungsunterlagen des Kreistags rechnet der Landkreis damit, dass angesichts fallender Zuweisungszahlen pro Monat 100 Plätze weniger gebraucht werden. Hinzu kommt, dass das Land dahin tendiert, die Asylbewerber möglichst bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag in den Landes-Erstaufnahmeeinrichtungen zu lassen und sie dann direkt den Kommunen zur „Anschlussunterbringung“ zuzuweisen. Die Unterbringung auf Kreisebene verliert somit zunehmend an Bedeutung. Zurück in die Schubladen Was bedeutet dies nun für die Gemeinschaftsunterkunft in Wyhlen" Diese hat 189 Plätze, wovon 171 belegt sind. Bisher war vorgesehen, die provisorischen Wohncontainer an der Kraftwerkstraße durch qualitativ gute, architektonisch gefällige Festbauten zu ersetzen. Diese sollten im Laufe des kommenden Jahres in zwei Bauabschnitten errichtet werden und bis Ende 2018/Anfang 2019 bezugsfertig sein. Bereits im Juli hatte der Landkreis diese Planungen aber vorläufig gestoppt (wir berichteten). Der Mitte April im Rahmen einer Bürgerinformationsveranstaltung vorgestellte, aus einer städtebaulichen Mehrfachbeauftragung hervorgegangene Festbauten-Siegerentwurf der Arbeitsgemeinschaft K9 (Freiburg) und Herzog (Lörrach) wurde in die Schubladen gesteckt. Und dort wird er bleiben, sofern der Kreistag am kommenden Mittwoch dem Vorschlag der Verwaltung stattgibt – wovon auszugehen ist. Für die Gemeinde Grenzach-Wyhlen ist die Situation nun zwiespältig. Einerseits reiße man sich nicht darum, GU-Standort zu sein und bleiben, bekundet Bürgermeister Tobias Benz im Gespräch mit unserer Zeitung, andererseits ist die Kommune mit dem Grundstück an der Kraftwerkstraße quasi in Vorleistung gegangen. Dieses befand sich zuvor im Eigentum der Deutschen Bahn, wurde zuletzt landwirtschaftlich genutzt und voriges Jahr seitens der Gemeinde für eine halbe Million Euro erworben. Diese stellte die Fläche dem Landkreis für den Bau und Betrieb einer GU zur Verfügung – mit der Option, dass die Kommune die Gebäude dereinst erwerben kann, sollten sie einmal nicht mehr zur Flüchtlingsunterbringung benötigt werden. Doch so weit wird es nun nicht mehr kommen. Benz pocht auf Verträge Wie die Gemeinde Grenzach-Wyhlen mit der zwischen Kommune und Landkreis geschlossenen Nutzungsvereinbarung für das GU-Grundstück an der Kraftwerkstraße nun umgehen wird, bleibt abzuwarten. Bürgermeister Benz: „Aus Sicht des Landkreises ist die Entscheidung nachvollziehbar, von den Festbauten Abstand zu nehmen.“ Allerdings habe der Kreis sich vertraglich zum Bau der GU in Massivbauweise verpflichtet. Schriftlich fixiert sei zudem, „dass die bestehenden Flüchtlingscontainer bis Ende 2018 abgebaut sein müssen. Und auf letzterem Punkt werden wir beharren“, bekräftigt der Rathauschef. Entsprechende Gespräche zwischen Gemeinde und Kreisverwaltung seien bereits anberaumt. Dabei will er auch die Frage nach einer Entschädigung für die Gemeinde thematisieren, „schließlich sind wir mit dem Grundstückskauf in Vorleistung gegangen und haben auch sonst viel Geld ausgegeben, um für das Thema Flüchtlinge Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen – beispielsweise mit professionell moderierten Workshops.“ Preisgünstige Wohnungen" Und was wird aus der Fläche an der Kraftwerkstraße, wenn die GU komplett geschlossen worden ist" Tobias Benz will die Chance nutzen und dort – beispielsweise unter Hinzuziehung der Baugenossenschaft(en) oder anderer Partner – bezahlbaren Wohnraum schaffen, an dem es in der Doppelgemeinde so sehr mangelt. Hinzu kommt der auf die Gemeinde steigende Druck aufgrund der Anschlussunterbringung von Asylbewerbern. Da Benz „keine Gettos“, sondern eine gute Durchmischung will, muss zwangsläufig relativ rasch neuer Wohnraum entstehen. Dass die Stuttgarter Koalition die Asylbewerber aus den Landes-Erstaufnahmeeinrichtungen zunehmend direkt an die Kommunen zur Anschlussunterbringung durchreichen will, hält der Grenzach-Wyhlener Rathauschef für eine „integrationspolitische Katastrophe“. „Das ist für mich eigentlich unvorstellbar“, sagt er.