Hausen im Wiesental Kraftvoll und stringent erzählt

Markgräfler Tagblatt
Lukas Bärfuss fesselte das Publikum bei seiner Lesung im Hebelhaus. Foto: Jürgen Scharf Foto: Markgräfler Tagblatt

Lesung: Hebelpreisträger Lukas Bärfuss las in Hausen aus seinem Roman „Hagard“

Von Jürgen Scharf

Hausen. Für seinen zweiten Roman, der nach Australien in die Heimat des Koalas führte, bekam Lukas Bärfuss den Schweizer Buchpreis. „Koala“ wurde zum poetologischen Modell auch für seinen nächsten Roman „Hagard“, aus dem der letztjährige Hebelpreisträger auf Einladung der Hebelstiftung Hausen am Donnerstag im Literaturmuseum Hebelhaus las.

„Ein Kreischen jetzt, ein Schreien... – Vielen Dank.“. Mit diesem geradezu fernsehserienreifen Cliffhanger beendet Lukas Bärfuss seine viel beachtete Lesung. Das machte neugierig auf den Roman, der mit einem guten Anfang loslegt. Am Beginn der Geschichte steht ein Paar Damenschuhe. Sie haben eine exotische Farbe: Es sind pflaumenblaue Ballerinas. Am Wort „pflaumenblau“ ergötzt sich der Autor beim Lesen.

Philip, so der Held, geht einer Frau nach, lässt sich von den Füßen, den Ballerinas, mitziehen. Im Verlauf des Romans merkt man, dass die unbekannte Frau ihm etwas zu bedeuten scheint, denn er ist ständig auf der Pirsch, geht ihr hinterher, wird magisch angezogen. Philip lässt mit dieser Suche sein Leben hinter sich, denn diese Begegnung hat fatale Folgen. In den 36 Stunden, dem Handlungszeitraum, lässt Philip den Alltag hinter sich. Seine Existenz ist ruiniert, er wird obdachlos und verwahrlost.

Anders als bei seiner moderierten Lesung kürzlich im Literaturhaus Basel, redet der Autor über sein Buch und seine Figuren erst am Schluss im Gespräch mit der Kulturbeauftragten der Gemeinde, Ricarda Beilharz, die bei Bärfuss eine große Parallele zu Hebel sieht. Ansonsten liest er eine gute Stunde, wobei er sein bester Vorleser ist, denn die bildreichen Beschreibungen lässt er tonmalerisch auf der Zunge zergehen, er genießt die Sätze und dramatischen Steigerungen, stößt genüsslich die Konsonanten heraus, dass es den Zuhörern riesigen Spaß macht, zuzuhören. Hier merkt man den Dramatiker Bärfuss.

Bei der fulminanten, aber auch schweißtreibenden Hitze-Lesung, die er immer mit witzigen Anmerkungen unterbricht, um einen Schluck Wasser zu trinken, hatte das Publikum den Dichter hautnah vor sich. „Wer an einem solchen Abend zu einer Dichterlesung geht, der hat wirklich nichts zu tun oder interessiert sich wirklich für Literatur“, meinte Bärfuss süffisant.

Hebel bleibe ein Geschenk. Kürzlich sei er in Karlsruhe gewesen und habe erfahren, dass eine Gesamtausgabe Hebels geplant sei. „Aber heute ist es nicht Hebel, sondern Bärfuss“, meinte er leicht ironisch und ging kurz auf die eigentliche Liebesgeschichte in „Hagard“ ein. Er werde ein bisschen „frostig“ lesen, und müsse gar nicht so viel sagen über das Buch: „Es reicht, wenn ich lese.“

Er sagte dann aber doch einiges, aber vor allem über Literatur an sich. Literatur sei eine wunderbare, unglaubliche Zeitmaschine. Lesen, Schreiben, die Neugier halte einen jung und lebendig. Alle wollten eine Geschichte erzählen, auch ein Produkt würde sich besser mit einer guten Geschichte verkaufen, so Bärfuss.

Einige Grundlagen seien nötig, um zu verstehen, wie Geschichten funktionierten. So könne das Gehirn viele Dinge besser aufnehmen, wenn sie mit einer Geschichte verbunden seien. Und das ist auch beim Roman „Hagard“ der Fall, der stringent und kraftvoll von einem Mann erzählt, der aus einer Laune heraus einer Frau folgt, die er nicht kennt und nur von hinten sieht. Es ist so etwas wie ein Spiel, aber auch etwas Bedrohliches und Getriebenes liegt in der Luft.

Das Publikum jedenfalls, das sich von der Hitze nicht vom Besuch der Lesung abhalten ließ, zeigte sich vom Buch und der Art des dramatisch zugespitzten Vortrags begeistert. Stellvertretend sei der Kommentar eines Zuhörers, nämlich von Reinhard Seiberlich erwähnt, der die Geschichte unwahrscheinlich gut geschrieben fand und die Kunst der Sprache bewunderte, nämlich „einen Roman zu schreiben über nichts“. Das ließ auch den Autor aufhorchen und schmunzeln, zumal er noch hören durfte, dass sein Hagard „spannend“ gestaltet sei, ohne dass etwas Spannendes vorliege – und ohne jegliche kriminalistische Schilderung.

Als Dankeschön für diese denkwürdige Lesung bekam Lukas Bärfuss von Bürgermeister Martin Bühler einen Bildband von der Hebelpreis-Verleihung und eilte nach einer Zigarettenpause an den Büchertisch zum Signieren.

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