Kleines Wiesental „Die Fakten wurden ganz bewusst vertuscht“

Markgräfler Tagblatt

HeimatgeschichteRecherche um Neuenweger Epitaph deutet auf Kriminalfall hin / Der Name sollte geschützt werden

Vielleicht war es ein Duell unter Adligen oder ein Mord aus Eifersucht. Ursache können aber auch Spannungen zwischen Zivilisten und Soldaten gewesen sein. Fest steht: Johann von Marckloffski wurde erstochen – das war vor mehr als 300 Jahren.

Von Michael Werndorff

Kleines Wiesental. Den Geheimnissen der Geschichte auf die Spur zu kommen, ist nicht nur mühsam, manchmal bleiben mehr Fragen offen, als Antworten gefunden werden. Im Rahmen seiner Forschungsprojekte über die „Vordere Linie“, einem Defensivsystem aus Schanzen und Wallgräben bei Neuenweg, hat der Schopfheimer Heimathistoriker Werner Störk versucht, das Leben eines zeitweise im Südschwarzwald dienenden Soldaten zu rekonstruieren und Licht ins Dunkel zu bringen. Ausgangspunkt von Störks Recherche war das Neuenweger Epitaph, eine Gedenktafel, die exakte genealogische Angaben sowie Informationen über Beruf und Herkunft von Marckloffski erhielt – auch ein herrschaftliches Wappen sollte Hinweise auf die Herkunft des jungen Adligen geben, der als Unteroffizier im Dienst des Kur-sächsischen Leibregiments zu Fuß im Markgräflerland stationiert war. Eigentlich eine gute Ausgangslage, um in europäischen Militärarchiven fündig zu werden, doch die Geduld des Schopfheimers wurde auf eine harte Probe gestellt. „Es fing schon damit an, dass die hier vorhandenen Kirchenbücher erst mit dem Jahr 1700 begannen, Marck-loffski starb aber bereits 1691“, lässt Störk das Geschehen Revue passieren.

Schreibweise erschwert die Suche

Einen ersten Hinweis brachte indes die Anfrage an Einrichtungen der Adelsforschung. „Jetzt hatten wir einen Anknüpfungspunkt“, so Störk. Es handelte sich um ein Adelsgeschlecht aus Böhmen, Mähren und Schlesien, das in verschiedene Linien zerfiel und daher unterschiedliche Namensschreibweisen hatte – das habe die Suche deutlich erschwert. Dann wurde eine seltene Familienchronik in einem Wiener Antiquariat gefunden, von der sich Störk weitere Antworten erhoffte. Doch der Zeitraum zwischen 1647 und 1693 enthält keine Spur von dem jungen Unteroffizier. Allerdings erfuhr der Historiker, dass es sich um eine wichtige Familie handelte, die am Prager Fenstersturz beteiligt war – ein Wendepunkt in der europäischen Geschichte und Ausgangspunkt des 30-jährigen Krieges. Eine Spur fand sich dann aber doch: Die Beleglisten im sächsischen Hauptstaatsarchiv zeigen, dass Marckloffski 1681 als Korporal in der in Dresden stationierten Leibgarde mit einem „Etat von zwei Pferden aufgeführt“ wird. „Wir hatten jetzt schon viele Informationen über die Adelsfamilie, aber keine wirklichen Quellen über Johann von Marckloffski“, so Stark. Es sei wie ein Puzzle gewesen, aber viele Teile fehlten. Ein weiteres kam hinzu, als sich das sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden meldete. Dort ist der Gesuchte in den Ranglisten nachweisbar.

Der Unteroffizier wurde erstochen

„Damit war der Durchbruch geschafft“, fasst der Schopfheimer seine Bemühungen zusammen. Deswegen habe er sich auch nach Dresden aufgemacht, um gezielt zu suchen. Ein Paukenschlag: Der Unteroffizier wurde im August 1691 erstochen. „Allerdings stimmt das Sterbedatum auf dem Stein nicht mit den Angaben der Akten überein, und es gibt keinen Verweis auf Gerichtsakten, was eigentlich stets der Fall ist.“ Auch ist dem Stein nicht zu entnehmen, dass der Soldat Opfer einer Bluttat wurde. Störk geht davon aus, dass der Vorfall ganz bewusst vertuscht werden sollte. Denn damals seien viele Verweise auf Vorfälle, Anzeigen und Gerichtsfälle in den Musterlisten gelandet. „So gab es zum Beispiel zahlreiche Vaterschaftsklagen von Frauen“, berichtet Störk.

Interessant sei auch, dass der Todesort nicht weiter genannt wird, nur dem Epitaph ist zu entnehmen, dass der 43-Jährige in Sonau, dem heutigen Zary in Polen starb – und auch hierfür gibt es keine Belege. „Das Schicksal des Mannes wurde regelrecht ausradiert“, spricht der Forscher von einem Kriminalfall. Wahrscheinlich habe es einen Prozess gegeben, aber um den Namen des Adelsgeschlechts zu schützen, wurde das Geschehen unter den Teppich gekehrt. „Mit dem letzten Eintrag verschwindet Marck-loffski wieder spurlos in der Geschichte“, so Störk. Dass er vielleicht hinterrücks erstochen wurde, sei eine andere Möglichkeit. „Damals gab es sehr große Spannungen zwischen der Bevölkerung und den in Dresden einquartierten Soldaten. Sogar der Kaiser beschwerte sich über Exzesse im Leibregiment“, berichtet Störk. Bleibt noch die Frage, weshalb das Epitaph, das ursprünglich in der alten Kirche stand, dann an der Außenseite der neuen, mit Blick auf einen militärisch wichtigen Pass samt Schanzsicherung angebracht wurde. Neue Erkenntnisse zeigen, dass er wohl nicht der Kommandant der Neuenweger Schanze war. „Allerdings hatte er etwas mit dem Hau zu tun“, nimmt Störk an. Vielleicht wollte man den Unteroffizier ehren, belegen könne man es aufgrund der unzureichenden Quellenlage nicht. Fest steht: Marckloffski war ein Vertreter seiner Zeit, ein typischer Berufssoldat in einer von Kriegen geprägten Zeit.

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