Kleines Wiesental „Unterschätzt die Provinz nicht“

Markgräfler Tagblatt
„Das menschengemäße Maß finden“: Professor Peter Kerns Vortrag stieß auf ein großes interessiertes Publikum. Foto: Heiner Fabry Foto: Markgräfler Tagblatt

Wider den Fortschritt in den Untergang: Nachdenklich stimmender Vortrag von Peter Kern in der „Krone“

Kleines Wiesental-Tegernau (hf). Der Theatersaal in der Tegernauer „Krone“ war wieder bis auf den letzten Platz gefüllt, als Hans Viardot einen „hochkarätigen Vortrag“ von Professor Peter Kern ankündigte. Auch wenn sich der Referent scherzhaft beschwerte, dass man bei einer solchen Ankündigung nur abstürzen könne, waren sich die Zuhörer am Ende einig, dass Peter Kern mit seinem „Nachdenken über ein gelingendes Leben“ wertvolle Anregungen gegeben hatte, die lange nachwirken werden.

Peter Kern begann mit einer Schmährede auf die Provinz, auf soziale Kontrolle und Ausgrenzung, auf Hinterwäldler und Langeweile, wie sie häufig von fortschrittsgläubigen Optimisten vorgebracht wird. Geschichte werde als eine einzige Fortschrittsgeschichte begriffen, die ohne die Städte nicht möglich gewesen wäre. Dagegen stehen die Befürworter der Provinz, die die Gefahr sehen, dass dieser Fortschritt ein Fortschritt in den Untergang sein kann, dass er letztlich zu einer kurzen ökonomischen Verwertbarkeitsphase des Menschen führen kann. Nach dem Motto: lange ausbilden – kurz und intensiv auspressen – lange ausscheiden. Peter Kern bezeichnete die Menschen als Opfer einer Globalisierung, gekennzeichnet durch Sinn-Verlust. Anstelle des Berechnenden solle besser ein besinnendes Leben treten.

In der Überleitung in den zweiten Abschnitt seines Vortrags definierte Peter Kern „gelingendes Leben“ als die Notwendigkeit, das dem Menschen gemäße Maß zu finden. Er legte besonderen Wert auf die Feststellung, dass sein Lob der Provinz nicht unbedingt die Provinz meine, wie wir sie heute erleben, sondern die Provinz, die eine Aufgabe und eine Herausforderung darstellt, die noch zu schaffen ist.

Diese Provinz ist gekennzeichnet durch ein Eingebettetsein in den zeitlichen Kreislauf der Natur. Die Natur kennt kein grenzenloses Wachstum, so Peter Kern. Etwas, das grenzenlos wachse, sei eine Wucherung, ein Krebs. Tradition, Sitten und Gebräuche müssten keine Einengung der persönlichen Freiheit bedeuten, sondern könnten den Menschen Entlastung bieten, da sie der modernen Überforderung durch ständige Selbstdefinierung eine Verhaltenssicherheit in der Gemeinschaft vermitteln. Die Überschaubarkeit der Gemeinschaft biete die Möglichkeit, sich im Blick des Anderen zu erkennen und könne Vorurteile und Abwertungen vermeiden.

Überall dort, wo man in ökologischer Selbstbegrenzung das menschliche Maß respektiere, da sei Hoffnung, so Peter Kern. Dazu gehöre die besinnende Einsicht in die Bedürftigkeit aller Lebewesen und ihr Aufeinander-Angewiesen-Sein.

Sei sein Lob der Provinz nun nostalgisch oder romantisch, fragte Peter Kern in die Versammlung. Durch die Entschleunigung, die Verbundenheit mit den Menschen und der Natur, durch „Be-Sinn-ung“ sei Sinnfindung möglich. „Ich will hier in der Provinz leben, weil hier mein Leben gelingt“, erklärte Peter Kern zum Schluss.

„Frieden (Frieden mit mir, mit anderen, mit der Natur, mit dem Kosmos) zu stiften, ist Sache der Leisen und Gesammelten. Ich rufe deshalb den Nachdenklichen zu: Unterschätzt die Provinz nicht! Wurzelloser Kosmopolitismus hat keine menschliche Zukunft“. Und er schloss mit dem Dichterwort: „Provinziell muss die Welt werden, dann wird sie menschlich.“

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