Geht es nach der Auffassung ausgewiesener Experten, so müssten das älteste französische Atomkraftwerk Fessenheim sowie der älteste Meiler der Schweiz Beznau I und II so schnell wie möglich abgeschaltet werden. Von Gerd Lustig Basel. Professor Manfred Mertins (Köln) und auch Professor Ilse Tweer (Wien) plädierten gestern in Basel bei der Mitgliederversammlung des Trinationalen Atomschutzverbandes (Tras) für ein baldiges Abhängen vom Netz. Grund: große Defizite in punkto Sicherheit aufgrund technischer Mängel der inzwischen veralteten Anlagen und deren Technik. Sicherheit: „Die Reserven bei der Sicherheit sind längst aufgebraucht“, machte Mertins deutlich. Vor allem sieht er beim AKW Fessenheim einen deutlich zu geringen Schutz gegen übergreifende Einwirkungen wie Erdbeben, Überflutung oder Flugzeugabsturz. „Die Störfallsicherheit ist nicht wie gefordert in drei 100-prozentigen und eigenständigen Strängen gewährleistet.“ Für mehr als fragwürdig hält Tweer die Messungen der für Reaktoren, unter anderem in Beznau, wichtige Sprödbruchübergangstemperaturen. Hier sei man zuletzt von konservativen Methoden auf andere, die Werte beschönigenden Methoden ausgewichen. Tweer: „Und das ausgerechnet bei diesem alten Reaktor, das ist extrem widersprüchlich.“ Finanzielle Schieflage: Aber auch aus wirtschaftlichen Gründen sprach sich der Finanzfachmann und Ökonom Kaspar Müller aus Basel für einen schnellstmöglichen Ausstieg der Schweiz aus der Kernkraft aus. Die aktuelle finanzielle Schieflage der AKW-Betreiber betrachtet er dabei als selbst verschuldet, zumal bis zur Einrichtung der nötigen Entsorgungsfonds für den radioaktiven Abfall zehn bis 20 Jahre verstrichen seien, in denen keine Mittel zurückgelegt wurden. „Durch Schönrechnerei und Best-Fall-Annahmen fehlen inzwischen zwischen 25 und 30 Milliarden Euro“, rechnete er vor. Daher werde in punkto Sicherheit und behördlicher Auflage nur gerade soviel getan und investiert wie nötig. Zudem sieht er bereits erste Anzeichen von Druck der AKW-Betreiber auf das Ensi (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat) aufkommen. Resolution: Der Tras hat gestern eine Resolution einstimmig verabschiedet. Darin wird zum einen an den französischen Präsidenten appelliert, das AKW Fessenheim noch in diesem Jahr unwiderruflich und für immer zu schließen. Zum anderen wird die Aufsichtsbehörde Ensi aufgefordert, der derzeit still stehenden Anlage Beznau I keine Genehmigung zum Wiederanfahren zu erteilen. „Die Zahl der Schwachstellen und das Alter des Reaktordruckbehälters sprechen klar dagegen“, heißt es in der Resolution, die an alle zuständigen Ministerien, Behörden und AKW-Betreiber erging. Und weil auch der Meiler Beznau II die Bestimmungen zum Schutz vor Erdbeben nicht erfüllt, wird auch dessen unverzügliche Stilllegung verlangt. Unterstützung aus Basel: „Auch der Kanton Basel unterstützt ihre Anliegen“, betonte Regierungsrat Hans-Peter Wessels in Richtung Tras. Die Schweiz sieht er in Sachen Sicherheit zwar nicht als Musterknaben. Beim AKW Fessenheim vermisst er indes einen klar erkennbaren Zeitplan für den Atomkraftausstieg. Froh ist er daher, dass das neue Energiegesetz in Frankreich sich dem Kanton Basel-Stadt die Möglichkeit bietet, seinen bisherigen Gaststatus in eine ordentliche Mitgliedschaft zu ändern. Die Stimme des Kantons in der Clis Fessenheim (Commission Locale d’Information et de Surveillance) werde damit deutlich gestärkt.