Kreis Lörrach Auf der Suche nach Liebe und Daddy

Die Oberbadische

Porträt: Ingrid Gade erzählt ihre bewegende Lebensgeschichte als GI Baby in Deutschland

Regio. „Der Bastard muss weg!“ Noch bevor Ingrid Gade auf der Welt war, stieß sie auf Hass, Rassismus und Ablehnung. Ihrer schwangeren, unverheirateten Mutter, die eine Beziehung zu einem afroamerikanischen GI hatte, wurden diese verletzenden Worte nachgerufen. Das Schicksal des Ungeborenen war besiegelt. Nur einen Tag nach seiner Geburt wurde das Baby Ingrid in ein Heim gegeben. Es begann eine Kindheit und Jugend voller Demütigungen, Misshandlungen und Ausbeutung.

Ingrid Gade ist jetzt 70 Jahre alt, lebt nach Stationen in Heidelberg, bei Lahr und in Grenzach-Wyhlen – sie putzte viele Jahre in Basel – inzwischen im Elsass bei Guebviller. In dem Buch „Gib mir einen Negerkuss“ schildert und verarbeitet sie ihre Erlebnisse. Nach ihren Erzählungen hat der Biograf Lars Röper eine Biografie verfasst. Das Buch ist ins Englische übersetzt, wird demnächst in Französisch erscheinen.

Die Familie Ingrid Gades stammt aus Ostpreußen. Die junge Brunhilde, blond und blauäugig, verschlug es 1944 durch die Kriegswirren nach Geislingen. In einer Dachkammer untergebracht, lernte sie den GI Theodore White kennen, einen Farbigen. Beide 20-jährig, wurde aus ihnen ein Paar. Als die junge Frau schwanger wurde, erfuhren sie, dass Theodore in die USA zurückversetzt werden sollte. Er versprach, zurückzukommen, ein Plan, den er wohl auch wegen des täglichen Rassismus im Nachkriegsdeutschland später aufgab. Der junge Soldat verließ die werdende Mutter, der Kontakt brach ab.

Liebe und Zuwendung bekam Ingrid nie.

Das farbige Baby im Heim untergebracht, heiratete Brunhilde bald darauf ihren deutschen Verlobten aus einer reichen Industriellenfamilie. Zwar besuchte sie ihre kleine Tochter regelmäßig und stattete sie aus. Liebe, Zuwendung, eine Familie bekam die kleine Ingrid aber nie. Sie erzählte ihrer Mutter von den Misshandlungen im Kinderheim in Tübingen oder bei der Pflegemutter Martha. Doch ihre leibliche Mutter schenkte ihr keinen Glauben. „Ich hatte solch große Sehnsucht nach Liebe!“, erinnert sich die 70-Jährige.

Mit 14 kam sie aufgrund einer Rückgratverkrümmung in eine Klinik nach Heidelberg. „Die Zeit bei Martha, der dunkle Keller, tausende Schläge, die Mangelernährung, hatten nicht nur meine Sehkraft, sondern auch mein Wachstum und meine Wirbelsäule für alle Zeiten stark geschädigt“, heißt es im Buch, das auch mit biografischen Dokumenten und Fotografien aufwartet.

Schließlich wurde die junge Ingrid in eine Lehre als Kinderpflegerin geschickt. Früh, schon mit 20 heiratete sie, bekam vier Kinder, ging zwei weitere Ehen ein bis sie heute – endlich angekommen – im Elsass Wurzeln schlug, zur Ruhe kam.

„Ich habe mich vor meinen Kindern immer meiner Vergangenheit geschämt. Die war so lieblos, ich wurde so ausgenutzt, das wollte ich nie weitererzählen.“ Von allen Seiten habe sie Probleme bekommen, erzählt die Autorin. Neben der Ausbeutung als Kind, hätten ihr früh Männer nachgestellt, sie als leichte Beute betrachtet. „Ich war wehrlos.“ Während all dieser Zeit lebte ihre Mutter in besten Verhältnissen. Vor acht Jahren starb diese. „Ich fühlte mich wie befreit. Und aufgrund so vieler Nachfragen meiner Kinder wuchs in mir das Bedürfnis, das alles aufzuschreiben.“

Damit begann sie – auch auf der Basis von Briefen aus dem Nachlass ihrer Mutter – vor sieben Jahren. Und es passierte Außergewöhnliches: Über den Verein GI Babies Germany gelang es ihr vor drei Jahren, ihren Vater ausfindig zu machen. Heute 91-jährig, lebt dieser in Queens/USA, hat zwei Kinder, „meine Halbbrüder“, so Gade. Seine bis dahin ihm unbekannte Tochter stieß bei „Teddy“ endlich auf die Liebe, die sie all die Jahre vermisste. „Here is Your Daddy“ sagte er ihr beim ersten Anruf am Telefon. „Ich bin vor Freude fast an die Decke gesprungen.“ Er hieß seine Tochter herzlich willkommen, die ihn in seiner Heimat besuchte, seine Familie kennenlernte. „Zum Glück spreche ich fließend Englisch!“

Das Leben Ingrid Gades war geprägt von Demütigung und Heimatlosigkeit – drei Ehen, 20 Umzüge. Und sie hatte weitere Schicksalsschläge zu meistern: Ihre zweitälteste Tochter starb erst 17-jährig. Nun aber hat sie ihre innere Ruhe gefunden, wie sie sagt: Sie lebt mit ihrem dritten Mann Gilles in einem beschaulichen Dorf im Elsass. Eine Tochter wohnt in Riegel, verheiratet mit einem Weinbauern, ein Sohn ist Sozialarbeiter in Essen. Sie hat acht Enkel und besucht alle regelmäßig. Und: Sie hat einen Vater. „Ich bin versöhnt und glücklich.“ Die Arbeit an dem Buch hat ihr dabei Kraft und Frieden gegeben.

  Ingrid Gade: „Gib mir einen Negerkuss“: Ein GI Baby im Nachkriegsdeutschland auf der großen Suche nach Daddy, Co-Autor Lars Röper, über Amazon, gebunden, 188 Seiten, 17,99 Euro

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