Von Gabriele Hauger Regio. Es gibt Kinderbilderbücher, die überstehen jegliche Mode- und Stilrichtungen und haben offensichtlich einen solchen Reiz, dass sie über Generationen hinweg ihre jungen Leser faszinieren. Neben der bekannten „Häschenschule“, dem „Struwelpeter“ oder „Max und Moritz“ gehört auch Sibylle von Olfers’ heiter-naives Werk „Etwas von den Wurzelkindern“ zu diesen Klassikern. Die Verse, die die Natur in vermenschlichter Gestalt zeigen, mit herzigen und nostalgisch anmutenden Bildern der 1881 geborenen Autorin ergänzt, wurden nun vom Autor und Übersetzer Markus Manfred Jung ins Alemannische übertragen. Titel: „Öbbis vo de Wurzlechinder“. Die Autorin des Kinderbuchs Sibylle von Olfers wurde auf Schloss Metgethen in Ostpreußen geboren, wie man dem Nachwort der neuen Ausgabe von Walter Sauer entnehmen kann. Sie zog mit 17 Jahren zu ihrer Tante nach Berlin, die früh ihre zeichnerische Begabung erkannt und gefördert hatte. Sibylle war ein frommes Mädchen und trat mit 24 Jahren in den Orden der Schwestern von der Heiligen Elisabeth ein, der sie 1905 als Schulschwester nach Lübeck schickte. Sicherlich war dies eine Initialzündung für sie, erstmals ein Kinderbuch herauszugeben: „Was Marilenchen erlebte“. Darin erfährt ein kleines Mädchen auf poetische Weise vom Reich der Schneeflockenkinder. Es erschien 1905, und mit ihm erreichte Sibylle von Olfers bereits einen beachtlichen Erfolg. Es folgten acht weitere Bücher, die sie selbst schrieb und illustrierte, darunter die Wurzelkinder (1906) mit ihrer Stimmung der Geborgenheit. Darin schildert sie Geschichten der in der mütterlichen Erde lebenden fleißigen Wurzelkinder, die sich spielerisch entwickeln, kleine Abenteuer in schöner Natur erleben und am Ende wieder freudig zur Mutter Erde zurückkehren. Mit nur 34 Jahren verstarb Sibylle von Olfers. 100 Jahre ist das nun her, ein Datum, das auch als Anlass verstanden werden kann, die Sprache und zeichnerische Qualität der Autorin durch eine Neuauflage zu würdigen – diesmal eben in Alemannisch. Es ist die erste Dialekt-Version des Kinderbuchs. Als Vorlage diente ein Exemplar, das noch die originalen Jugendstil-Illustrationen aufweist. Mit großer sprachlicher Sensibilität hat sich Markus Manfred Jung an die Dialekt-Übertragung des Textes gemacht und als Verständnishilfe ein Glossar angehängt, das mit Übersetzungshilfen wie „Chaib“ (Lausejunge), „Mattebördli“ (Wiesenrain) oder „Pfuus“ (Schlaf) weiterhilft. Wie Jung in seinem Nachwort verrät, war ihm die Herausforderung durchaus bewusst, diese „bildmächtige Allegorie“ vom Hochdeutschen so ins Alemannische zu übertragen, dass nichts verfälscht, die Originalität nicht beeinträchtigt wird. Ein paar Freiheiten hat er sich erlaubt. So ermöglicht der Dialekt mit seiner Endverschleifung von Wörtern (ich gehe – i gang) beispeilsweise Verkürzungen, so dass Jung mehr Gehalt in manche Verse legen konnte. Außerdem setzte er inhaltlich einige neue Schwerpunkte – inspiriert von den Bildern. In jedem Fall regt die neue Ausgabe dazu an, sich den herzerwärmend emsigen Wurzelkindern – auch als Erwachsener – erneut zu widmen, vielleicht sogar parallel Original- und Dialektversion zu lesen. Dabei wird die schön gestaltete Neuausgabe mit ihrem sprachlichen Charme überzeugen.n  „Öbbis vo de Wurzlechinder, Sibylle von Olfers, Ins Alemannische übretrait von Markus Manfred Jung, Edition Tintenfass, 2016, ISBN 978-3-946190-13-4