„Not macht erfinderisch“, lautet ein Sprichwort. Nicht nur sprichwörtlich hat C. H. auf dem Lörracher Campingplatz sein Zelt aufgeschlagen, nachdem er über ein halbes Jahr vergeblich eine Wohnung zwischen Freiburg und Lörrach gesucht hat. Von Alexander Anlicker Kreis Lörrach. Das Thema Obdachlosigkeit und Wohnungsnot ist Schwerpunktthema der diesjährigen Weihnachtshilfsaktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ des Verlagshauses Jaumann. Einer der Orte wo Menschen ein Dach über dem Kopf bekommen ist das „Rössle“ in Lörrach-Stetten, wo der Verein Pro digno ein Übergangswohnheim betreibt. „Es war herrlich warm als ich dann hier war“, beschreibt C. H. seinen Einzug ins „Rössle“ im Oktober vergangenen Jahres. Zuvor hatte der 51-Jährige drei Jahre lang in einem Zelt auf dem Lörracher Campingplatz gelebt. Nach dem Verlust seiner Wohnung in Freiburg habe er zunächst ein halbes Jahr in Hotels und Pensionen in Freiburg und Lörrach gewohnt. Ohne Arbeit sei es aussichtslos eine Wohnung zu finden. „Aus Kostengründen bin ich dann auf den Campingplatz gezogen“, erklärt er. Im Sommer sei das Leben im Zelt angenehm, aber im Winter sei es doch recht kalt. So ist er heilfroh, dass er bei Pro digno untergekommen ist. Hier lebt er mit 25 Mitbewohnern. „Das Verhältnis hier untereinander ist gut, mit ganz seltenen Ausnahmen“, sagt C. H. Das Übergangswohnheim ist wie eine Familie Auch der 39-jährige René hat im „Rössle“ eine Dach über dem Kopf gefunden. Der gebürtige Dresdner zog nach dem Mauerfall zunächst mit seiner Mutter in den Westen. Seit dem Jahr 2008 lebt er in Lörrach. Schon bald nach seiner Ankunft in Lörrach musste er wegen Drogendelikten für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. „Meine Frau und ich haben uns in dieser Zeit auseinandergelebt und schließlich getrennt“, erzählt er. Zunächst habe er bei seiner neuen Freundin gelebt, war aber gezwungen sich einen „Rückzugsraum“ zu suchen. „Ich habe keine Wohnung gefunden. Teilweise habe ich in der Notschlafstelle im Erich-Reisch-Haus geschlafen, mal bei Bekannten auf der Couch oder auch auf der Straße“, berichtet der 39-Jährige. „Das war sehr hart für mich, ich war nach sechs Wochen draußen kaputt.“ Er ist froh, dass im „Rössle“ im richtigen Moment ein Zimmer frei geworden war. „Wäre ich hier nicht aufgenommen worden, ich hätte es alleine nicht hingekriegt“, erklärt René auch mit Blick auf den Tod seiner Lebensgefährtin, der ihn schwer mitgenommen hat. „Für mich bietet das Rössle Sicherheit“, sagt er und beschreibt das Übergangswohnheim als eine Art Familie, eine Familie die er vorher so nicht gekannt habe. „Für mich war das Ankommen wichtig“, sagt René, der mit Hilfe der beiden „Pro digno“-Mitarbeiter Valérie Bonfiglio und Andreas Busch sein Leben langsam wieder in den Griff bekommt. Diese begleiten ihn beispielsweise auf dem Weg zur Schuldnerbaratung oder zum Jobcenter. Demnächst beginnt er eine Umschulung zum Helfer im Verkauf mit der Perspektive eine Ausbildung zum Fachverkäufer dranzuhängen. Auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, hat für ihn Priorität. Sein ursprünglich erlernter Beruf als Restaurantfachmann komme für ihn nicht in Frage, weil man dort mit Alkohol zu tun habe. Er selbst trinke keinen Alkohol, weil seine Eltern schwer alkoholabhängig gewesen seien, erklärt er. Das „Rössle“ bietet Platz für 25 Menschen Der Verein „Pro digno“ betreibt im „Rössle“ in Stetten eine Einrichtung der Wohnungslosenhilfe. In den denkmalgeschützten Räumlichkeiten der früheren Pferdemetzgerei war später ein Hotel Garni untergebracht und seit 1988 wird es als Übergangswohnheim genutzt. Der im Jahr 2002 gegründete Verein „Pro digno“ hat im Jahr 2016 die Trägerschaft des Wohnheims übernommen. Dieses bietet insgesamt 25 Wohnungen, derzeit leben hier zwei Frauen und 23 Männer im Alter von 22 bis 71 Jahren. Der Altersdurchschnitt liegt bei 46 Jahren, erklärt Valérie Bonfiglio. Neben der Unterkunft bietet der Verein Pro digno auch eine Betreuung der Bewohner durch die beiden festangestellten Mitarbeiter Bonfiglio und Busch an. Während die Kosten für die Zimmer durch Nutzungsgebühren des Jobcenters bezahlt werden, wird die Betreuung ausschließlich über Spendengelder finanziert. Die Nachfrage ist größer als das Angebot berichten die beiden Mitarbeiter. Alle 25 Zimmer sind belegt. „Ich muss regelmäßig Frauen absagen, die sich getrennt haben und auf der Suche nach einer Unterkunft sind“, bedauert Bonfiglio. Das „Rössle“ ist zwar als Übergangswohnheim gedacht, aber es wird vielfach zur Dauereinrichtung. Gerade mal drei Bewohner haben im vergangenen Jahr eine eigene Wohnung gefunden, berichten Bonfiglio und Busch. „Der Verein würde auch Privatvermietern zur Seite stehen, die an unsere Leute vermieten“, sagt Bonfiglio. Sie nennt das von ihr angestrebte Modell „begleitetes Wohnen“. „Wir würden ein bis zwei Mal in der Woche nach dem Rechten sehen und auch einschreiten, wenn etwas aus dem Ruder läuft“, ergänzt Busch.