Kreis Lörrach Der Beginn eines längeren Weges

Die Oberbadische
Vahid Azizis (rechts) und Asad Hosseini sind aus Afghanistan geflüchtet und werden nun mit dem dualen Ausbildungssystem vertraut gemacht. Fotos: Marco Fraune Foto: Die Oberbadische

Projekt: „Perspektive für junge Flüchtlinge“ zeigt duales Ausbildungssystem auf / Positive Zwischenbilanz

Von Marco Fraune

Ali Zeheda aus Syrien, Ahmed Abdi Shire aus Somalia und Vahid Azizis aus Afghanistan – alle drei sind aus ihren Heimatländern geflüchtet. In Lörrach werden sie und weitere junge Flüchtlinge nun schrittweise an den Arbeitsmarkt herangeführt, damit eine Perspektive entsteht.

Kreis Lörrach. Wünsche und Hürden werden konkret:

Asad Hosseini: Der 22-Jährige hat vor seiner Flucht nach Deutschland Handys in Afghanistan repariert. Metalltechnik oder Elektronik sind auch zwei Bereiche, in denen er nun beruflich gerne Fuß fassen würde. Knackpunkt: Er hat keinen Schulabschluss.

Ob es mit einem Ausbildungsplatz trotz des vom jungen Afghanen an den Tag gelegten Arbeitseifers klappen wird, weiß Michael Reiss, Berufsberater im neuen Kompetenzzentrum Asyl und Hauptverantwortlicher für „Perjuf“, noch nicht.

Hinter diesem Kürzel verbirgt das zeitlich befristete Projekt „Perspektiven für junge Flüchtlinge“, das in Lörrach im Auftrag der Arbeitsagentur von den Trägern „BBQ Berufliche Bildung“ und dem Internationalen Bund (IB) mit Leben gefüllt wird, wobei der eine sich um die Theorie und letzterer sich um die Praxis kümmert.

Vahid Azisis: Mit Asad Hosseini steht in der IB-Werkstatt in Lörrach-Brombach auch Vahid Azisis, der vor zweieinhalb Jahren aus Afghanistan floh. Der 21-Jährige ist auf Praktika-Suche, damit er später am Steuer ein Lasters sitzen kann. In Weil am Rhein hat der junge Flüchtling ein WG-Zimmer. Worauf es im Beruf auch ankommt, weiß Azisis bereits. „In Deutschland muss man immer pünktlich sein“, sagt der 21-Jährige in gutem Deutsch.

Für ihn sucht Reiss noch nach einer Ausbildung. Das wird als gemeinsame Kraftanstrengung angesehen, wird bei einem Gespräch unserer Zeitung mit den beteiligten Trägern und der Agentur für Arbeit in Lörrach deutlich. Das übergeordnete Ziel, das Agentursprecherin Melanie Payer ausgibt, ist das Kennenlernen des dualen Ausbildungssystems durch die jungen Flüchtlinge. So soll verhindert werden, dass diese nur auf „das schnelle Geld“ blicken und nicht perspektivisch denken. „Wir wollen keine Welle an Hilfsarbeitern schaffen.“

Die „Perjuf“-Teilnehmer finden auf verschiedenen Wegen zu der Maßnahme. Sie stammen aus Einstiegskursen in den Gemeinschaftsunterkünften, VABO-Klassen (Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf) der Gewerbeschulen oder werden auch durch ehrenamtliche Flüchtlingshelfer weitervermittelt. Klar definiert wurde dabei aber auch: Integrationskurse haben Vorrang.

Ali Zeheda und Walaa Webah: Seine Chance beim Schopfe greifen will Ali Zeheda, der seit neun Monaten in Deutschland lebt und ebenfalls schon gut Deutsch spricht. In Syrien hatte er vor seiner Flucht Wirtschaft studiert. Das gilt auch für die neben ihm an der Schulbank sitzende Walaa Webah, die acht Monate im Land ist und schon ein klares Ziel vor Augen hat: „Ich suche eine gute Arbeit, aber ich brauche ein Zertifikat.“ Mit einem dualen Studium bei der DHBW soll dies erreicht werden.

Auch für sie suchen Reiss und sein Kompetenzzentrum-Team nach einem Arbeitgeber.

„Bis jetzt läuft es sehr gut“, zieht er drei Monate nach dem Start von „Perjuf“ ein positives Zwischenfazit. Insgesamt stehen 24 Plätze für junge Flüchtlinge zur Verfügung, 17 sind besetzt, wobei laut der Agentur-Sprecherin der infrage kommende Personenkreis immer weiter steige und es perspektivisch mehr Teilnehmer werden. Wer aus einem „sicheren Herkunftsland“ kommt, darf aufgrund der fehlenden Perspektive nicht teilnehmen. Für Syrer, Somalier, Iraner oder Afghanen und Eritreer gilt hingegen die voraussichtliche zuverlässige Präsenz als Voraussetzung. Die Verantwortlichen räumen aber ein, dass es keine Möglichkeit der Sanktionierung gibt und es unter den jungen Flüchtlingen den einen oder anderen gibt, der es mit dem Erscheinen nicht so ernst nimmt.

Aufgrund der (Flucht-)Biografien gibt es für die jungen Flüchtlinge eine sozialpädagogische Begleitung. Auch der gesundheitliche Aspekt spiele dabei eine Rolle, weiß BBQ-Niederlassungsleiterin Angelika Weber.

Geklärt werde im praktischen Teil beispielsweise, welche Art von Arbeit angestrebt werde. Hierzu enthält die Berufsorientierung den Praxisteil und die Aufklärung über das deutsche Ausbildungssystem. Weber: „Es ist viel Aufklärungsarbeit.“

Die Absprache zwischen den Trägern müsse zugleich funktionieren, unterstreicht Sabine Saage, Koordinatorin des IB Lörrach. „Die Vernetzung ist das A und O.“ Die Ansprechpartner der Arbeitsagentur und der Flüchtlingsunterkünfte gelte es ebenso einzubeziehen. Die Unternehmen sollen ebenfalls mitwirken, also Orientierungspraktika anbieten.

Vier Monate dauert die „Perjuf“-Maßnahme, wobei diese auf sechs verlängert werden darf. Darauf folgen kann der Start in die Ausbildung, eine Folgemaßnahme, der Weg ins Studium, eine Einstiegsqualifizierung oder in Einzelfällen ein Arbeitsplatz.

BBQ-Projektleiter Benjamin Groß ist aber bewusst, dass die Integration in den Arbeitsmarkt nicht von heute auf morgen erfolgen kann, sondern bis zum Ausbildungsabschluss bis zu fünf Jahre vergehen können.

Ahmed Abdi Shire: In eine Bäckerei hineingeschnuppert hat bereits Ahmed Abdi Shire. Vor zwei Jahren ist der mittlerweile 18-Jährige als unbegleiteter minderjähriger Ausländer nach Deutschland gekommen. Nun sucht der Somalier einen Praktikumsplatz, der dann nach Möglichkeit in eine Ausbildungsstelle münden soll. Bäcker oder Koch will Ahmed Badi Shire werden.

Von der VABO-Klasse in Rheinfelden hat er den Weg zur „Perjuf-Maßnahme“ gefunden. Nun sitzt er nicht nur mit anderen jungen Flüchtlingen im IB-Schulungsraum und paukt mit einer Lehrkraft zusammen berufsorientierte Deutsch-Vokablen, sondern auch mit einigen deutschen Jugendlichen, die einen Berufsvorbereitungsvorbereitungskurs absolvieren.

Von Berührungsängsten ist dort, wie Saage zuvor schilderte, tatsächlich nichts zu spüren. „Nun sitzen die wie ein Bienenhaufen zusammen“, blickt sie in den Schulungsraum. Zwei Ziele seien erreicht: der Abbau von Vorurteilen und eine Akzeptanz zwischen den verschiedenen Maßnahmen-Teilnehmern.

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