Kreis Lörrach Die Augen nicht verschließen

Die Oberbadische
Gehen der NS-Geschichte im Kreis auf den Grund: (von links) Oliver Uthe, Hansjörg Noe, Wolfgang Bocks und Ulrich Tromm. Foto: Sarah Trinler Foto: Die Oberbadische

Geschichte: Buch über NS-Belastete aus Südbaden / Vorstellung am 20. März in Lörrach

Kreis Lörrach (sat). Die regionale Geschichte des Nationalsozialismus sachlich einordnen statt zu beurteilen – diese Absicht verfolgt die Buchreihe „Täter Helfer Trittbrettfahrer“, dessen sechster Band NS-Belastete aus Südbaden behandelt. Das Buch wird am Montag, 20. März, im großen Saal des Landratsamts Lörrach vorgestellt.

„Wir haben bewusst nicht nur Menschen aus der ersten Garde ausgewählt“, sagte Oliver Uthe, Kreisarchivar und Kulturreferent des Landratsamts Lörrach beim Pressegespräch am Donnerstag. Ziel des Herausgebers Wolfgang Proske ist es, gerade die Helfershelfer und Trittbrettfahrer zu porträtieren, da diese in der großen Masse erheblichen Anteil an der Akzeptanz des Unrechtsregimes hatten. „Wenn man auf die kleinen Leute blickt, versteht man, warum das System so stabil war“, sagte Wolfgang Bocks, der eines der 25 Porträts beisteuerte.

Bocks hat sich dem Schweizer Achim Tobler gewidmet, der während des zweiten Weltkriegs Werksleiter der Aluminium GmbH Rheinfelden war – ein zentraler Lieferant für Hermann Görings Luftwaffe. Uthe porträtierte den Schweizer Dichter und Schriftsteller Jakob Schaffner, der den Nationalsozialismus unterstützte. Uthe ist eher zufällig auf ihn gekommen, als er eine Gedenktafel für Schaffner am Haus dessen Großeltern in Wyhlen entdeckte.

Von den 25 NS-Belasteten im Buch sind zehn aus dem Landkreis Lörrach, weshalb der Landkreis mit 2500 Euro auch Hauptsponsor des Bandes ist. Auffällig ist, dass keine Person aus dem Raum Weil am Rhein und Rebland vorkommt. Von „bisher unbeachteten Gebieten“ spricht Ulrich Tromm, der jedoch beobachtet, dass sich zunehmend heimatkundliche Publikationen dem Thema öffnen. So wird derzeit beispielsweise die Chronik von Binzen neu geschrieben, in deren bisheriger Fassung Haltungen verklärt oder Täterschaften ausgespart wurden. Tromm hat sich mit Rudolf Allgeier, von 1938 bis 1943 Kreisleiter in Lörrach, beschäftigt, der aus Tromms Sicht ein „Nutznießer des Systems“ gewesen ist.

Bei einem solch heiklen Thema müsse man besonders sorgfältig arbeiten, sagte Uthe. Einige Aufsätze seien sogar vom Herausgeber wieder zurückgezogen worden, da die Verfasser sich zu sehr auf Zweitquellen gestützt hätten. „Man muss quellenkritisch vorgehen und offen recherchieren“, sagte Bocks. Als Quellenlager dienten etwa das Document Center in Berlin, das französische Militärarchiv in Paris oder die Staatsarchive in Baden-Württemberg und Basel. „Tote haben keinen Datenschutz“, erklärte Uthe, daher seien auch die Entnazifizierungsakten im Staatsarchiv Freiburg frei zugänglich.

Dass das Thema polarisiert, weiß Historiker Hansjörg Noe, der bereits die NS-Geschichte von Maulburg Steinen und Lörrach aufgearbeitet hat. Er kennt die Anfeindungen, Stimmen wie „Lasst die Vergangenheit ruhen, das interessiert doch keinen mehr“, kennt er nur zu gut. Damit müsse man leben, sagte er. Für den Band der NS-Belasteten aus Südbaden hat er gleich drei Kapitel beigesteuert, die von in der Region umstrittenen Personen wie Hermann Burte, Kurt Rahäuser, Karl Winter und Albert Schöni handeln. Es sei spannend, zu sehen, dass etwa damalige Geschehnissen in Steinen die gesamte Politik von Berlin widergespiegelt hätten.

n Das Buch „Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Südbaden“ wird am Montag, 20. März, im großen Saal des Landratsamts Lörrach öffentlich vorgestellt. Im Anschluss ist eine Diskussion vorgesehen.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading