Kreis Lörrach „Ein Arbeitgeber muss etwas bieten“

Die Oberbadische
Die Entwicklung und Produktion von Messgeräten ist am Standort Maulburg eine zentrale Aufgabe. Fotos: zVg Foto: Die Oberbadische

Fachkräftemangel stellt Endress+Hauser vor Herausforderungen / Eine lebensphasenorientierte Personalpolitik erarbeitet

Kreis Lörrach (mcf). Weltweit beschäftigt Endress+Hauser Maulburg mehr als 2000 Menschen, rund 1650 davon in Deutschland. Jens Kröger als Leiter der Personalentwicklung und Eva-Maria Kuhn als Leiterin des Personalmanagements am Standort in Maulburg haben die immer schwierig werdendere Aufgabe, dem Fachkräftemangel im Landkreis Lörrach zu begegnen.

Um Nachwuchs für die größte und älteste Produktionsstätte von E+H zu finden, hat der Hersteller von Füllstand- und Druckmesstechnik unterschiedliche Strategien entwickeln, wie im Gespräch mit Regio-Redakteur Marco Fraune deutlich wird.

Seit wann haben Sie mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen?

Kröger: In den vergangenen Jahren hat sich die Situation deutlich verschärft. Das Wiesental und auch Endress+Hauser als Unternehmen sind außerhalb der Region eher unbekannt. Zudem ist die Schweiz als Arbeitsort quasi „um die Ecke“.

Sie sind speziell für die Personalbeschaffung zuständig, Frau Kuhn. Gibt es Stellenausschreibungen, auf die sich niemand bewirbt?

Kuhn: Ja, das ist so, auch weil die Konkurrenz um bestimmte Fach- und Führungskräfte sehr groß ist. Wir sind kein Hersteller von Endprodukten, die man im Geschäft kaufen kann, sondern ein Business-to-Business-Anbieter. Wir haben Konkurrenten, die wesentlich bekanntere Namen haben und ähnliche Fachkräfte suchen. Diese Unternehmen sind in den Köpfen der Hochschulabsolventen ganz anders verankert. In diesem Bereich müssen wir uns ganz schön anstrengen.

Stellt sich die Situation für Ihren Bereiche, Herr Kröger, ähnlich dar, also bei den jungen Leuten, die eine Ausbildung machen möchten?

Kröger: Die Neugier auf Technik ist bei jungen Leuten geringer geworden. Das spiegelt sich in den Bewerberzahlen wider. Für kaufmännische Stellen bekommen wir hingegen beispielsweise auf eine Stelle 50 Bewerbungen. Wenn Elektroniker-Stellen ausgeschrieben werden, sind es für zwölf Stellen vielleicht 40 Bewerbungen. Wenn wir nicht genügend geeignete Bewerber finden, bleiben manche Ausbildungsstellen unbesetzt. Das stellte sich vor zehn Jahren noch anders dar. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht mehr so häufig der klassische Weg in die duale Ausbildung gewählt wird.

Sie haben die unbesetzten Stellen genannt. Von wie vielen Stellen sprechen wir jetzt?

Kuhn: In Maulburg gibt es etwa 40 unbesetzte Stellen, bei allen Endress+Hauser-Unternehmen im Dreiländereck sind es deutlich über 100.

Welche Unterschiede gibt es in puncto Fachkräftemangel in den drei Ländern?

Kuhn: Die Arbeitslosigkeit im Elsass ist wesentlich höher als im Landkreis Lörrach. Deswegen setzen wir auch auf länderübergreifende Aktionen, um Mitarbeiter zu gewinnen. Wir arbeiten mit der Arbeitsagentur in Frankreich zusammen, zum Beispiel auf einer „Speed-Dating-Messe“, bei der wir Stellen vorstellen, die wir hier zu besetzen haben. Eventuelle sprachliche Barrieren können durch spezielle Qualifizierungsangebote abgebaut werden.

Eine Maßnahme, wie sie beim heimischen Lebensmittelhändler Hieber praktiziert wurde, also dass Spanier zur Ausbildung nach Deutschland geholt werden, ist für Sie kein Thema?

Kröger: Bei der Ausbildung tun wir gut daran, uns erst einmal den grenznahen Bereichen zu widmen, weil Endress+Hauser ein attraktiver Arbeitgeber und eine Marke in der Region ist.

Kuhn: Bei der Suche nach Fachkräften veröffentlichen wir unsere Stellenausschreibungen gelegentlich zusätzlich in Englisch, Spanisch oder Französisch und erreichen damit Interessenten in vielen europäischen Ländern. Darüber hinaus konnten wir auch neue Mitarbeiter aus Afrika und Asien gewinnen, die mit Hilfe der Blue Card nun bei uns arbeiten. In bestimmten Fachpositionen ist der Mangel für uns aber zunehmend spürbar. Da gehen wir andere Wege, wie zum Beispiel über Personalberater.

Muss man befürchten, dass Endress+Hauser Arbeitsplätze wegen des bestehenden Fachkräftemangels in Deutschland verlagert?

Kuhn: Es gibt das klare Bekenntnis des Unternehmens, hier am Standort zu bleiben.

Kröger: Wir tun sehr viel dafür, die Fachkräfte zu uns zu holen. Die Zusage der Familie, an den Wurzeln zu bleiben, besteht. Das Know-how, also unser goldenes Gut, soll hier verankert bleiben. Die Investitionen hier am Standort unterstreichen dieses Bekenntnis der Eigentümerfamilie.

Mit welchen konkreten Instrumentarien begegnen Sie dem Fachkräftemangel im Dreiländereck?

Kröger: Wir haben eine lebensphasenorientierte Personalpolitik erarbeitet. Dazu gehören beispielsweise gute Rahmenbedingungen für den Wiedereinstieg einer Mutter in den Beruf dank unserer Kooperation mit dem Kindergarten. Wichtig für uns in der Personalentwicklung ist aber auch, dass wir junge Menschen wieder für Technik begeistern, beispielsweise durch Schulprojekte. So soll der Einstieg in das Praktikum oder in die Ausbildung schmackhaft gemacht werden. Auf diesem Weg lernt die Fachabteilung die Menschen kennen. Auf der anderen Seite können wir dem jungen Mitarbeiter die weiteren Entwicklungschancen im Unternehmen aufzeigen und die Bindung zum Unternehmen erhöhen.

Kuhn: Unser Niveau zu halten, ist eine große Aufgabe. Besonders wenn die Babyboomer aus den Führungspositionen in Rente gehen, müssen wir mit einem durchdachten Konzept für Nachfolge sorgen. Klar ist: Im Ingenieurbereich sind die Stellen am schwierigsten zu besetzen. Deshalb müssen wir uns auch jenseits der Region bekannt machen. Dafür haben wir eine frische Kampagne gestartet.

Die lebensphasenorientierte Personalpolitik lässt sich klar messen: mit der Bezifferung der Fluktuation. Wie hoch ist diese bei Endress+Hauser in Maulburg?

Kuhn: Niedrig. Mit Angeboten im Gesundheitsmanagement, Familienfreundlichkeit und vielem mehr tragen wir Sorge für unsere Mitarbeitenden. Flexible Arbeitszeitmodelle schaffen notwendige Freiräume, um beispielsweise die Pflege von Angehörigen zu ermöglichen. Wir versuchen insgesamt, ein großes und attraktives Angebot zu schaffen.

Ist der geplante „Wäsche- und Bügelservice“ ein „Schmankerl“ oder wird dieser als Baustein eines gesamten Angebotes betrachtet?

Kuhn: Das kann man auf jeden Fall als Baustein ansehen. Es mag zum Schmunzeln anregen, doch es gibt Menschen, die dafür wenig Zeit haben. Das private und berufliche Leben muss in Einklang gebracht werden.

Bemerken Sie ein höheres Anspruchsdenken von Seiten der Bewerber – Stichwort: Generation Y?

Kuhn: Es sind mittlerweile die Bewerber, die entscheiden können, welches Angebot sie anspricht. Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Ein Arbeitgeber muss etwas bieten, um sich hervorzuheben aus dem Kreis der anderen Unternehmen.

Kröger: Unser Antrieb ist, Endress+Hauser für neue Mitarbeitende attraktiv zu machen. Die Wertschätzung des einzelnen dokumentieren wir durch Mitarbeiter-Magazine, Aktionen und vielfältige Angebote. Wir wollen mehr sein als nur ein Arbeitgeber, bei dem man nur seine Arbeit leistet und das Geld abholt.

Bemitleiden Sie Betriebe in der Region, die deutlich kleiner sind als Ihr Unternehmen, da es für diese noch schwieriger ist, Ihre Mitarbeiter zu halten?

Kuhn: Die Personaler kennen einander und sind in verschiedenen Netzwerken. Daher wissen wir um die Sorgen und arbeiten an gemeinsamen Lösungen.

Können Sie Hilfestellung leisten?

Kuhn: Durch unsere Mitarbeit bei der gemeinsamen Plattform „sw-plus“ können wir den attraktiven Standort gemeinsam bewerben und dafür sorgen, dass es der Region gut geht. Denn es kann nicht sein, dass es nur einem gut geht, das kann auf Dauer nicht funktionieren.

Blicken wir kurz voraus: Wie wird sich die Situation in den nächsten zehn bis 15 Jahren entwickeln?

Kröger: Die Dramaturgie wird sicherlich zunehmen. Angesichts der demografischen Entwicklung kann ich prognostizieren, dass wir gerade bei den jungen Leuten große Probleme bekommen, unsere Stellen zu besetzen. Es geht darum, dass wir mit unseren Maßnahmen die richtigen Antworten geben. Wir dürfen dabei natürlich nicht nur ins Wiesental blicken, sondern müssen auch über den Landkreis hinaus aktiv sein.

Kuhn: Das bedeutet auch, entsprechende Qualifizierungsprogramme anzubieten und Lücken zu erkennen. Wir sind sehr eng an unseren Mitarbeitern, um Qualifizierungsbedarf zu erkennen und damit für die Zukunft gerüstet zu sein.

Aber die demografische Entwicklung spielt Ihnen nicht in die Karten. Es wird mehr unbesetzte Stellen geben, oder?

Kröger: Die Mitarbeiter werden einerseits natürlich älter, aber wir als Unternehmen werden auch internationaler und femininer. Mit passenden Kinderbetreuungsangeboten können Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf abgefedert werden.

Kuhn: Und wir passen uns den Gegebenheiten an. Wir sind dabei, unsere Angebote so zu gestalten, um für die spezifischen Lebenssituationen der Menschen bereit zu sein.

Also die Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Kuhn: Das ist ein wichtiges Thema, aber auch mit Blick auf lebensaltersgerechte Angebote. Wichtig ist mir zudem, dass wir jenseits der Grenzen blicken. Wir sind beispielsweise auch für Menschen aus anderen Regionen ein attraktiver Arbeitgeber.

Kröger: Wir wollen Endress+Hauser außerdem in Deutschland bekannter machen, indem wir an den Uni-Standorten präsenter sind.

Weil ein „Messtechnik-Anbieter“ nicht für jeden Bewerber so sexy ist?!

Kröger: Wir kümmern uns darum, dass die Dinge so sind wie sie sind – oder so bleiben. Das heißt, dass die Cola immer gleich schmeckt oder dass ein Medikament immer gleich zusammengesetzt ist, das ist unsere Aufgabenstellung. Dies ist eine hohe Emotionalität, die man transportieren kann. Viele junge Menschen fordern Sinnhaftigkeit in ihrem Beruf, die wir durch den Einsatz unserer Messtechnik bieten können.

Kuhn: Wir sind dabei, die Prozessautomatisierung greifbarer und nachvollziehbarer zu machen – auch herauszustellen, welche Spezialisten- und Karrieremöglichkeiten es gibt und welche spannenden Themen wir abdecken. Wir können nicht mit den Gehältern bei großen Global-Playern mithalten, aber wir haben viele andere attraktive Angebote, die wir in die Waagschale werfen. Für uns ist das stimmig und wir hoffen, dass es für immer mehr Leute stimmig wird.

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