Kreis Lörrach „Geburtshilfe menschlich gestalten“

Die Oberbadische

Siebter Teil der Serie „100 Jahre St. Elisabethen-Krankenhaus / Chefarzt Dr. Bischofberger prägt jüngere Geschichte

Von Marco Fraune

Kreis Lörrach. Fast 4000 Gramm schwer und gemeinsam von Schwester Claerenzia und der Hebammenschülerin Frau Müller ans Licht der Welt geholt ist Kurt Bischofberger im Jahr 1951 das erste Mal mit dem St. Elisabethen-Krankenhaus in Kontakt gekommen. Dass er im Jahr 2013 als Chefarzt im Zentrum für Gynäkologie und Geburtshilfe die Ausrichtung des „Eli“ maßgeblich mitbestimmt, hat Symbolcharakter. „Ich wollte die Geburtshilfe menschlich gestalten und den Frauen nicht die Selbstbestimmung unter der Geburt nehmen“, formuliert er nach all den Jahren als Chefarzt den Anspruch, den er noch heute mit Leben füllen will – trotz Fallpauschalen-Diskussion & Co.

Die Gynäkologie und Geburtshilfe im St. Elisabethen-Krankenhaus ist von Epochen bestimmt, in denen die Chefärzte tätig waren. Dr. Carl Berger wirkte hier von 1926 bis Ende 1961. Offiziell eröffnet wurde die Geburtshilfe 1929, wobei diese im ehemaligen Gebäude der Böhler’schen Klinik untergebracht war. „Die Zimmer für die Wöchnerinnen, der Kreißsaal, das Säuglingszimmer, die Arztzimmer und die nötigen Nebenräume fanden dort über Jahrzehnte eine in sich geschlossene Einheit mit besonderer Atmosphäre“, weiß Schwester Anemunda Weh rückblickend zu berichten.

Wie schon in einem früheren Teil unserer Serie berichtet, musste das Gebäude 1990 einem neuen Bettenbau weichen, nachdem Dr. Gerhard Bach von 1962 bis Mitte 1974 und Dr. Meinrad Brunnner ab 1974 in der Gynäkologie und Geburtshilfe die Verantwortung inne hatten. Letzterer bis Ende 1993, womit die aktuelle Ära beginnt, die von Dr. Kurt Bischofberger bestimmt wird, der seit Anfang 1994 in Lörrach Chefarzt ist.

Dem Entwicklungshelfer-Einsatz im Südsudan von 1981 bis 1983 folgte bis 1985 eine Assistenzarzttätigkeit im Eli für Bischofberger, den es dann acht Jahre als leitenden Oberarzt nach Düsseldorf zog. Als er aber von der Neubesetzung der Chefarztstelle in Lörrach erfuhr, konnte der Wunsch nach einer Rückkehr in den Landkreis Lörrach Realität werden. Mit seinerzeit 42 Jahren stand für ihn fest: „Jetzt kann ich noch was bewegen.“

Patienten klagen eher

Sicherlich sei es damals noch „entspannter“ gewesen. 500 bis 600 Geburten und deutlich weniger Bürokratie führt Bischofberger als Belege an. „Wir haben uns auf die Patienten und ihr Kind konzentriert.“ Statt fünf bis zehn Prozent Administration als Assistenzarzt seien es mittlerweile ein Drittel.

Für den Wandel des Mediziner-Berufs verweist der aus Wyhlen stammende Chefarzt auch auf den technischen Fortschritt. Der medizinische Blick auf die Patienten und der Intuition habe er nicht verloren. In der Diagnostik würden mittlerweile mehr und mehr die Laborparameter eine Rolle spielen. Als Vorwurf versteht er es aber nicht. „Die jungen Kollegen haben es nicht mehr gelernt.“

Wenig erfreut ist Bischofberger hingegen, dass bundesweit die Klagefreudigkeit von Patienten zunimmt. Ein Anspruch auf ein perfektes Kind werde angeführt. Mit der Frage, ob der Mediziner eine Kiefergaumenspalte oder einen Herzfehler hätte frühzeitig erkennen können, müssen sich Gerichte befassen. Eine Folge der Klagefreudigkeit sieht Bischofberger schon. „Es gibt immer weniger Kollegen, die mit Freude die Geburtshilfe betreiben.“ Die meisten Kollegen, die seine Abteilung verlassen haben, hätten dies wegen der enormen Stressbelastung in der Geburtshilfe getan.

Bischofberger selbst hat seinen Beruf aber genau wegen der Geburtshilfe ergriffen – und steht weiter zu seiner Entscheidung. „Das ist mein Hobby.“ Er sei auch Chefarzt geworden, um die Geburtshilfe weiter betreiben zu können. Diese ist ihm nach Beschreiten des Lörracher Wegs geblieben. „Wir hatten mehr Geburten als das Kreis-Krankenhaus.“

Natürlich muss das Krankenhaus wirtschaftlich arbeiten. Doch nur um mehr Geld für Geburten zu erhalten, soll nicht unnötig ein Kaiserschnitt gemacht werden, setzt Bischofberger auf den natürlichen Vorgang. Bei 31 Prozent liege die Kaiserschnitt-Quote obwohl man ein Perinatalzentrum I sei, also sich auch um die schwierigsten Fälle kümmern muss. Zum menschlichen Aspekt der Geburtshilfe zählt auch die Bewältigung der Trauer. Schon 1994 habe er daher eine Trauergruppe gegründet.

Insgesamt fällt das Zwischenfazit des Chefarztes positiv aus. „Ich habe in der Geburtshilfe fast alles bewegen können, was ich wollte.“ Hierzu zähle die Geburt ohne unnötige medizinische Intervention ebenso wie das Zurückschrauben der Apparate-Medizin auf das erforderliche Maß, aber auch die endoskopischen Operationen. „Im Kreis waren wir die ersten, die über Knopfloch operiert haben.“

Damit die Errungenschaften weiter voran gebracht werden können, setzt Bischofberger auch nach seinem Ausscheiden in den Ruhestand in einigen Jahren auf Kontinuität. Hier baut er auf die beiden Leitenden Ärzte, den Gynäkologen Thorsten Selle und die Brustzentrums-Leiterin Dr. Alexandra Sallmann. „Jeder der kommt, soll mich nicht kopieren, sondern seine eigenen Schwerpunkte setzen und definieren“, unterstreicht Bischofberger. Im „Eli“ zur Welt gekommen sein müssen die Nachfolger natürlich nicht unbedingt.

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