Kreis Lörrach In die zweite Reihe geschaut

Die Oberbadische
Wollen Wissen über die NS-Zeit vervollständigen: (von links) Ulrich Tromm, Wolfgang Bocks, Hansjörg Noe und Herausgeber Wolfgang Proske, Foto: Sarah Trinler Foto: Die Oberbadische

Geschichte: Buchvorstellung „NS-Belastete aus Südbaden“

Drei Autoren der Buchreihe „Täter Helfer Trittbrettfahrer“ stellten am Montagabend im gut gefüllten Sitzungssaal des Landratsamts Lörrach den neu erschienenen Band „NS-Belastete aus Südbaden“ vor. Die Buchreihe soll aufklären und Wissen vervollständigen, um die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.

Von Sarah Trinler

Kreis Lörrach. „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“, sagte Dezernent Alexander Willi, der zusammen mit Kreisarchivar Oliver Uthe das Landratsamt Lörrach vertrat. Herausgeber Wolfgang Proske bedankte sich beim Landkreis für die finanzielle Unterstützung, damit das Buch realisiert werden konnte. Mit dem sechsten Band sei er wieder einen Schritt näher am Ziel, mit der Reihe das komplette Bundesland Baden-Württemberg abzudecken.

Umstrittener Buchtitel

Proske erläuterte, dass der Titel unter den insgesamt mehr als 100 Autoren (Südbaden-Band: 19) für Diskussionen sorgte. Dennoch sei er griffig und habe mittlerweile Wiedererkennungswert. Um die Geschichte des Nationalsozialismus verstehen zu können, müsse man neben den Top-Tätern auch in die zweiten und dritten Reihen schauen. Dort seien etwa Helfer zu finden, die fremdbestimmt handelten, aber auch Trittbrettfahrer, die von der Schädigung anderer profitieren wollten.

„Nicht alle Menschen teilen die längst überfällige Aufarbeitung“, sagte Historiker Hansjörg Noe, der für das Buch unter anderem die Biografien zu Albert Schöni (Wiesental), Albert Leo Schlageter (Schönau) und Hermann Burte (Maulburg) aufarbeitete. Noe hat in den vergangenen Jahren die NS-Geschichte von Maulburg, Steinen und Lörrach unter die Lupe genommen und in dieser Zeit Anfeindungen, wie Hakenkreuze auf seinem Briefkasten, zu spüren bekommen. „Dass ich noch einmal Angst vor nationalsozialistischem Denken haben muss, hätte ich nicht gedacht“, betonte Noe.

Ein „überzeugter Systemstabilisator“, der jedoch kaum bekannt sei, war Achim Tobler, sagte Autor Wolfgang Bocks. Tobler, gebürtiger Schweizer, war mit gerade mal 30 Jahren zum Werksleite der Aluminium GmbH Rheinfelden berufen worden, die zentrale Lieferantin für Görings Luftwaffe war.

Kriegsgefangene geholt

Als im Jahr 1940 rund 1300 Mitarbeiter an die Front abkommandiert wurden, das Produktionsniveau aber gehalten werden sollte, wurden Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in den Betrieb geholt. „Tobler war kein faschistischer Nazi, aber er war karriereorientiert“, sagte Bocks.

Ähnlich einzuordnen sei Rudolf Allgeier, ab 1938 Kreisleiter Lörrach, der „die Chancen des Regimes für eigene Zwecke nutzte“, ordnete Autor Ulrich Tromm ein. Der Reiz an dieser Biografie sei gewesen, dass es über Allgeier so gut wie keine mündlichen Überlieferungen gebe. „Niemand erinnert sich an Allgeier“, sagte Tromm.

Gespräche mit Zeitzeugen oder deren Nachfahren müssten ohnehin quellengestützt sein, erklärte Proske auf Nachfrage aus dem Publikum. „Denn: Diese Personen können sich irren“, so der Herausgeber. Als Quellenlager dienten etwa das Document Center in Berlin, das französische Militärarchiv in Paris oder die Staatsarchive in Baden-Württemberg und Basel. In Deutschland werden die Akten 30 Jahre nach dem Tod der Personen freigegeben, in Frankreich bleiben sie 80 Jahre unter Verschluss.

Weitere Informationen: www.ns-belastete.de

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