Kreis Lörrach Individuelle Zukunftsperspektiven

Die Oberbadische
Wohin führt der Weg der jungen Asylbewerber? Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Junge Flüchtlinge soll eine Teilhabe ermöglicht werden / „Sie wollen nicht als Bettler angesehen werden“

Von Marco Fraune

Kreis Lörrach. Aus Kriegs- und Armutsgebieten kommend suchen immer mehr minderjährige Flüchtlinge im Landkreis Lörrach Schutz, eine Bleibe sowie Arbeit. Mit einem schweren Rucksack an familiären Verlusterfahrungen, Misshandlungsverletzungen, Sprachbarrieren sowie Traumatisierungen ausgestattet, kommen sie vor allem erst einmal in der Michael-Gemeinschaft Schweigmatt oder in einer der aktuell sechs Gemeinschaftsunterkünfte des Landkreises unter. Einen Einblick über den Umgang mit den jungen Flüchtlingen erhielt der Jugendhilfeausschuss in seiner jüngsten Sitzung.

125 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr Inobut genommen worden – Tendenz weiter steigend. Hinzu kommen noch aktuell 241 eingereiste begleitete minderjährige Flüchtlinge, die in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Beide Gruppen sollen nicht nur betreut, sondern auch beschult oder beschäftigt werden, was aber teilweise an Grenzen stößt, wie im Ausschuss deutlich wurde.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Ganz auf sich gestellt kommen die jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 17 Jahre aus Afrika und dem Nahen Osten vor allem in der Einrichtung in Schweigmatt unter. „Sie brauchen sofort einen überschaubaren und zuversichtlichen Orientierungsrahmen, um die eigene Flucht für sich zu beenden und sich auf Anforderungen einzulassen“, erklärte Silke Chalk von der Michael-Gemeinschaft. Dann könnten weitere Schritte, Ortsveränderungen mit neuen Bezugspersonen angenommen, verstanden und mitgetragen werden. Mit einem individualisierten Konzept und Fachwissen sowie Erfahrung soll dies erreicht werden. Als Stichworte nannte Chalk angemessene Sozialpädagogik, Halt durch klare Strukturen, ausländerrechtliche Beratung oder auch echte Hilfestellungen. Ein Ausweisdokument, damit sich die Jugendlichen im Landkreis frei bewegen können, sowie Sofortsprachunterricht gehören ebenso zur Förderliste wie Unterricht in einer gesonderten Klasse der Gewerbeschule Schopfheim und Praktika. Auch die Ausbildungsperspektiven geraten dabei in den Blick. Individuelle Zukunftsperspektiven nannte Chalk als ein Ziel. „Alle sind sehr ehrgeizig und wollen Deutsch lernen sowie Ausbildungskompetenzen entwickeln. Sie wollen nicht als Bettler angesehen werden, sondern auf Augenhöhe agieren.“

Begleitete minderjährige Flüchtlinge: Dass diese jungen Menschen keine homogene Gruppe bildeten, machte Michael Forouz-Mehr vom Jugendmigrationsdienst des Caritasverbandes im Landkreis Lörrach klar. So reiche die Bandbreite vom Analphabeten bis zum Abiturienten. Im Asylverfahren oder bei einer Duldung liege der Verlauf und die Entwicklung des Integrationsprozesses in den Händen des Regierungspräsidiums oder der zuständigen Ausländerbehörde, wobei sich die in Rheinfelden negativ von anderen abhebe. „70 Prozent der Antragsteller dürfen weder eine Ausbildung noch eine Beschäftigung aufnehmen“, erneuerte Forouz-Mehr die derzeit auf verschiedenen Ebenen behandelte Kritik an der Ausländerbehörde, da der Landesschnitt bei 30 bis 40 Prozent liegt. „Das ist fatal.“

Das faktische Arbeitsverbot bringe eine verlorene Zeit für die Integration mit sich. Während junge Migranten mit einem gefestigten Aufenthalt in 90 Prozent der Fälle in Ausbildung, Arbeit oder Schule/Studium vermittelt werden könnten, stelle sich der Integrationsprozess von jungen Migranten ohne gefestigten Aufenthalt (Asylbewerber und Geduldete) schwierig dar. Die Schul- und Berufsschulpflichtigen in den Gemeinschaftsunterkünften seien aber sehr gut versorgt und gute Netzwerke würden bestehen, wobei man auf die Ehrenamtlichen angewiesen sei, so der Experte. Angesichts der unterschiedlichen Vorbildung seien Schulen jedoch vor große Herausforderungen gestellt. „Es besteht aber eine hohe Motivation, Deutsch zu lernen und eine Arbeit aufzunehmen.“ Um eine Teilhabe tatsächlich zu ermöglichen, sei es daher unter anderem wichtig, dass die Ausländerbehörde ihre Ermessensspielräume nutze, mehr Stunden Deutschunterricht bewilligt werden können oder auch ein Bündnis für Arbeit für die Betroffenen zusammenkommt.

Bewertung der Politik: Dass ein gefestigter Aufenthalt wichtig ist, betonte Bernhard Escher (CDU), der auch auf ein beschleunigtes Asylverfahren abhob, damit dann die Integration der jungen Flüchtlinge schnell erfolgen könne. Überzeugt zeigte er sich, dass die Ausländerbehörde Rheinfelden richtig prüfe. Es gebe in den Ausländerbehörden offenbar unterschiedliche Traditionen, erklärte Gabriele Weber (SPD). Dass stets die Einzelfälle betrachtet werden müssen, betonte Landrätin Marion Dammann. Auf verschiedenen Ebenen werde das Thema aber derzeit analysiert. Mehr Deutschunterricht für die jungen Asylbewerber hält Margarete Kurfeß (Grüne) für entscheidend, um den beruflichen Anschluss zu erreichen. Als „große Chance für die Gesellschaft“ bezeichnete Gunter Halter (Freie Wähler) die Integration der Jugendlichen. „Jahrelang nichts zu tun, ist keine Perspektive.“

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