Das sehe ich unter anderem im Bereich der Berufsorientierung. Die Frage, was machen die Schüler nach der Schule, ist in besonderer Weise wichtig. Wir haben derzeit eine hohe nichtakzeptable Quote von Studien- und Ausbildungsabbrechern. Schülerinnen und Schüler sollten mehr qualifizierte Praktikumserfahrungen sammeln können. Weiter müsste die Zusammenarbeit zum einen mit den Personen, die die Kinder beeinflussen – meist die Eltern –, enger sein, zum anderen die Kooperation mit Beratungsstellen oder den Betrieben verstärkt werden. Nur so kann eine mögliche Umorientierung rechtzeitig – also vor Ausbildungsbeginn – erfolgen, damit der Schüler keine negative Lernerfahrung machen muss.
Wir konnten die Tendenz schon vor Jahren erkennen, dass junge Lehrer lieber im Zentrum als auf dem Land arbeiten. Mein Vorgänger, Hansjörg Noe, hatte schon gesagt: „Ich kenne nur zwei Sorten von Lehrern: Die, die in Freiburg sind, und die, die nach Freiburg wollen.“ Da wir tatsächlich zu wenig Bewerbungen haben, vor allem im Bereich der Sonderpädagogik sowie im Grundschulbereich, muss der Lehrerberuf wieder attraktiver werden. In Auggen, wo ich aufgewachsen bin, wohnten wir in direkter Nachbarschaft zu einem Lehrerhaus, wie es früher üblich war. Ich könnte mir vorstellen, dass ein solches Angebot auf dem Land auch heute wirken könnte. Doch die Attraktivität des ländlichen Raums muss insgesamt diskutiert werden, da nicht nur die Schulen betroffen sind. Beispielsweise macht sich auch ein Ärztemangel bemerkbar.
Zuerst einmal muss verstanden werden, dass die Einwanderer Deutsch als Zweitsprache und nicht als Fremdsprache lernen müssen. Das ist für die hiesigen Deutschlehrer eine völlig neue Situation, für die sie erst Expertise aufbauen müssen. Es sollten Lernmöglichkeiten geschaffen werden, mit Berücksichtigung, dass Migrantenkinder ganz unterschiedlichen Alters nach Deutschland kommen. Auf die Flüchtlingswellen haben die Schulen jedoch schnell und gut reagiert, Ressourcen wurden flexibel erschlossen. Auf die geleistete quantitative Versorgung muss nun die Qualitätssicherung folgen.
In den letzten Jahren war eine enorme Dynamik in der Schulentwicklung. So wurde im Grundschulbereich die Zahl der Ganztagsschulen deutlich erhöht. Bei den Sekundarschulen ist es uns gelungen, im Zuge der regionalen Schulentwicklung eine zukunftsfähige Angebotsstruktur von Gemeinschafts-, Real- und Werkrealschulen aufzubauen. Jede Schülerin und jeder Schüler, egal, wo er im Landkreis Lörrach oder Waldshut wohnt, hat eine für ihn passende Schule im Bereich der Sekundarstufe I, die für ihn zumutbar erreichbar ist. Bei der Entwicklung der sonderpädagogischen Bildungslandschaft waren wir besonders erfolgreich beim Aufbau kooperativer Angebote, gemeinsam mit den beruflichen Schulen. Diese Angebote zur Berufsorientierung und zur beruflichen Qualifizierung erhöhen die Chancen von jungen Menschen mit Behinderungen, erfolgreich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen erheblich. Als erster Landkreis haben wir Berufsvorbereitende Einrichtungen (BVE) angeboten, die Abgänger der Förderschulen und Schulen für Geistigbehinderte auf die Berufswelt vorbereiten und eine Platzierung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen sollen. Innerhalb von zehn Jahren ist uns das für gut 100 Menschen gelungen.
Ich kann voller Überzeugung sagen: Ich bin jeden Tag gerne zur Arbeit gegangen. Ich wollte nicht Schulen verwalten, sondern die Schullandschaft gestalten und weiterentwickeln. Das konnte ich in meiner Funktion. Ich bin dankbar für die tollen Mitarbeiter, die ich gerade hier im Schulamt um mich hatte. Denn: Ein Amtsleiter allein macht kein gutes Schulamt aus. Aber auch die zunehmende Zusammenarbeit mit dem Landratsamt und den Schulträgern war erfreulich. Früher gingen die Gespräche mit den Kommunen nur ums Geld, heute bringen sich diese vielmehr konstruktiv in konzeptionelle Prozesse ein.
Meine Frau und ich sind überzeugte Europäer. Wir möchten Europa noch mehr kennenlernen und auf Reise gehen.
Herr Rüdlin, wollten Sie schon immer Lehrer werden?
So kam es, dass Sie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg Lehramt studierten. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Schultag als Lehrer?
Was gefällt Ihnen so an der Sonderpädagogik?
Sie sagten, Sie wollten es besser machen. Was haben Sie besser gemacht?
Haben sich die Anforderungen an den Lehrerberuf gewandelt?
Dank neuer Schultypen wie die Gemeinschaftsschule verbringen die Kinder heutzutage jedoch mehr Zeit in der Schule.
Das Bildungssystem ist in Sachen Schulformen seit geraumer Zeit in Bewegung (Ganztagsschule, Werkrealschulen, Inklusion, etc.). Kultusministerin Susanne Eisenmann sagte jüngst in Bad Säckingen, dass es wichtig sei, dass nun wieder Ruhe einkehre, damit Lehrer sich um das Wesentliche kümmern können.
In welchem Bereich gibt es aus Ihrer Sicht noch Entwicklungspotenzial?
Angesichts der Pensionierungswelle braucht es Lehrernachwuchs, doch zeichnet sich vielmehr ein Lehrermangel ab – besonders im ländlichen Raum. Wie kann der Beruf wieder attraktiver werden?
Eine weitere Herausforderung ist die Integration von Flüchtlingen in Schulen. Wie kann diese gelingen?
Sie haben den Fachbereich Schule und Bildung im Lörracher Landratsamt und ab Januar 2009 das neue Staatliche Schulamt geleitet. Welche Akzente konnten Sie als Leiter setzen?
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihre Laufbahn zurück?
Was sind Ihre Pläne für den Ruhestand?