Immer mehr Menschen aber haben kein Dach über dem Kopf. Der Landkreis Lörrach gehört landesweit zu den Kreisen mit den meisten Obdachlosen. Ihnen wird sich die Aktion „Leser helfen“ in den nächsten Monaten besonders widmen. Von Guido Neidinger Kreis Lörrach. Trotz geringer Arbeitslosenzahlen wird die Zahl der Menschen ohne Wohnung im Landkreis Lörach immer größer. Die Fachstelle für Wohnungssicherung hat im vergangenen Jahr 324 Haushalte beraten, die Probleme mit dem Erhalt ihrer Wohnung hatten. Das sind 60 mehr als im Jahr zuvor. Die ambulante Fachberatung für Wohnungslose verzeichnet ebenfalls immer mehr Zulauf. 778 Personen suchten den Beratungsdienst auf, oft in größter Not. Von Wohnungslosigkeit sind im Landkreis Lörrach auch Menschen mit einem Vollzeit-Job betroffen. Oft können sie ihre Wohnung nicht mehr bezahlen. Die Wohnungsknappheit ist im Zuzugsgebiet Dreiländereck für Menschen am unteren Rand der Gesellschaft das größte Problem. Eine kommunale Obdachlosenunterkunft gibt es in Lörrach nicht. Deshalb arbeitet die Stadtverwaltung eng mit der Wohnbau und den sozialen Organisationen Erich-Reisch-Haus, Pro digno e. V. in der Basler Straße und dem Kreuzweg e. V. in der Mozartstraße zusammen. Die Zahl der Menschen, die „obdachlosenpolizeilich“ – wie es im Behördendeutsch heißt – in der Kreisstadt untergebracht sind, steigt seit Jahren. 2012 waren es 150 Personen, 2014 schon 230. Aktuell sind es 280. Neben der Fachstelle Wohnungssicherung, die Obdachlosigkeit möglichst verhindern will, wurde vor einem Jahr eine mobile Obdachlosenbetreuung eingerichtet. Diese soll die betroffenen Menschen, die oft mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen haben, bei der Wohnungssuche unterstützen, Hilfen anbieten und Konflikte beilegen helfen. Gael Haab betreut derzeit 100 Haushalte, die in Notunterkünften wohnen. „Wir wollen, dass möglichst viele Menschen aus dieser Situation herauskommen, damit sie wieder selbst Verantwortung für ihr Leben übernehmen können“, betonte Bürgermeister Michael Wilke bei einem Besuch der Hilfseinrichtungen. Die drei sozialen Organisationen Erich-Reisch-Haus, Pro digno und Kreuzweg werden zwar von der öffentlichen Hand mitfinanziert. Allerdings reichen diese Mittel nicht, um alle Aufgaben zu bewältigen. Sie sind auf Spenden angewiesen. So wird das Erich-Reisch-Haus acht Obdachlose in einem frei werdenden Haus an der katholischen Kirche in Brombach unterbringen. Die Einrichtung der Zimmer wird die Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ übernehmen. Spendenschecks erhalten auch Pro digno, Kreuzweg und die Wärmestube in Friedlingen. In zwei Häusern an der Mozartstraße in Lörrach wohnen unter der Obhut von Robert Horvath, dem Vorsitzenden des Vereins Kreuzweg, Drogenabhängige, Kriminelle und Alkoholiker. Insgesamt bietet Horvath 19 Personen in kleinen Wohngruppen eine menschenwürdige Bleibe. Seine Arbeit finanziert der gelernte Sozialarbeiter über die Mieteinnahmen, viel ehrenamtliches Engagement und Spenden. Wie der Verein Kreuzweg hilft auch Pro digno im ehemaligen Gasthaus Rössle Menschen beim schwierigen Neustart ins Leben. Das Rössle ist sozusagen ihre letzte Chance. Die Bewohner kommen nach den Worten von Hausleiterin Valérie Bonfiglio oft aus der Thearapie, aus dem Gefängnis oder haben ihre Wohnung durch Zwangsräumung verloren. Derzeit sind im Rössle 26 Personen untergebracht, darunter zwei Frauen. Die bekannteste Anlaufstelle für Obdachlose in Lörrach ist das Erich-Reisch-Haus unter dem Dach der Caritas. Mit der Einrichtung arbeitet die Stadt Lörrach eng zusammen. „Das Erich-Reisch-Haus ist unser Anker“, sagt Bürgermeister Michael Wilke. Es bietet zwölf Aufnahmeplätze, 15 Plätze in der Eingliederung und 21 Plätze für betreutes Wohnen. In der ganzjährig geöffneten Notschlafstelle übernachten immer mehr Menschen. 2015 waren es mehr als 1500. Das 1984 gegründete Erich-Reisch-Haus unterhält auch eine Wärmestube. sie ist laut Hausleiter Stephan Heinz „ein kommunikativer Ort für die örtliche Armutsbevölkerung.“