Kreis Lörrach „Landarztpraxis ist reanimierbar“

Die Oberbadische

Tagung der Gesundheitskonferenz setzt sich mit hausärztlicher Versorgung und Strategien auseinander

Von Marco Fraune

Kreis Lörrach. Der Altersdurchschnitt der Hausärzte ist in den vergangenen Jahren im Landkreis Lörrach deutlich angestiegen. Spezialisiert, angestellt oder auch in Teilzeit tätig: Auch dieser Trend ist deutlich festzustellen. Wie eine gute medizinische Versorgung angesichts dieser Entwicklungen im Dreiländereck weiter möglich ist, damit haben sich am Mittwochabend Medizinier und Politiker bei einer Fachtagung auseinandersetzt.

Wenn das bislang als Entwurf vorliegende „Versorgungsstärkungsgesetz“ greifen sollte, müssen die Patienten wohl weitere Wege und längere Wartezeiten für einen Besuch beim Arzt einplanen. Drei Hausärzte, sieben Kinderärzte, drei Nervenärzte, zwei Urologen, zwei Frauenärzte und ein Chirurg sind den Planzahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) zu Folge zu viel im Landkreis Lörrach tätig (u siehe Info-Kasten). „So darf es nicht kommen“, verwies der Lörracher Hausarzt Dr. Ingolf Lenz auf die drastischen Folgen der Planzahlen. Nicht berücksichtigt werde, dass sich immer mehr Menschen ambulant behandeln lassen und die Krankenhäuser ihre Patienten schneller entlassen, womit sie in der Nachsorge bei den niedergelassenen Ärzten vorstellig werden. „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie man das bewältigen soll.“

Angesichts des hohen Anteils an über 60-jährigen Hausärzten im Kreis hat sich die Fachtagung der Gesundheitskonferenz des Landkreises mit der Problemstellung auseinandergesetzt, wie junge Mediziner einerseits ins Dreiländereck gelockt werden können, auf der anderen Seite überhaupt als Hausarzt und nicht als Facharzt tätig werden. Eine Befragung von Assistenzärzten hat laut Dr. Sonja Wagner von der Geschäftsstelle Gesundheitskonferenz Landkreis Lörrach gezeigt, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, geregelte Arbeitszeiten und ein Bürokratieabbau sich hier zum Vorteil verändern müssten. Positiv sei für Baden-Württemberg, dass dieses Bundesland ebenso wie Bayern noch gefragt sei. Und: „Auch die Einzelpraxis ist wieder im Kommen.“ Diese sei aber mit einer Investition von 100 000 Euro bei Neugründung beziehungsweise einem auszuhandelnden Betrag bei Übernahme einer bestehenden Praxis verbunden.

Dr. Georg Steinfurth, der in Todtnau und Schönau Hausartzpraxen betreibt, weiß um Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. So besitze die Uni Freiburg keinen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin, sondern nur eine Honorarprofessur. Auch in anderen Bereichen erhalte die Allgemeinmedizin in der Ausbildung einen zu geringen Stellenwert. Steinfurth weiß zudem, dass die Einzelpraxis „out“ war, mittlerweile nun aber wieder leicht an Zuspruch bei Medizinern gewinne. „Die Landarztpraxis ist reanimierbar.“

Während es den Hausarzt aus dem hinteren Wiesental vor der Generation Y, also den derzeit in der Ausbildung befindlichen Medizinernachwuchs, graust, da diese Freizeit und Familie mehr deutlich Gewicht als der Arbeit einräumen, sieht Dr. Michael Maraun vom Schopfheimer Krankenhaus hier weniger Probleme. Vielmehr setzt er darauf, dass eine Diskussion über die bislang zu schlechten Arbeitszeiten und zum Thema Teilzeit geführt werden, um Beruf und Familie vereinbaren zu können, was ein Trend ist.

Den Kliniken des Landkreises misst Maraun bei der Gewinnung von Fachkräften einen „wichtigen Part“ zu. „Ich sehe uns in der Pflicht, Ärzte aus Europa in den Landkreis zu ziehen.“ Dabei könnte dieser mit der Landschaft sowie dem Skifahren in den Höhenlagen punkten, also den weichen Standortfaktoren.

Weitere Strategien zur Gewinnung von Medizinern kamen neben bereits im Landkreis Lörrach umgesetzten, wie Weiterbildungsmöglichkeiten in der Region oder der Neuregelung des Notdienstes, ebenso zur Sprache. So sollen bereits in den Schulen Gesundheitsthemen durch Ärzte präsentiert werden. Angebote für Medizinstudenten und Assistenzärzte wurden ebenfalls genannt. Auch Kommunen sollten sich frühzeitig engagieren, wenn sich eine Praxisnachfolge abzeichnet.

Der Bereich Lörrach und Weil am Rhein gilt als bestens versorgt bei den Hausärzten, womit hier für eine mögliche Ansiedelung von weiteren eine Sperrklausel gilt. Hier sind 84 Ärzte aktiv. Damit wird ein Versorgungsgrad von 112 Prozent erreicht. 1,6 „Ärzte oberhalb der Sperrgrenze“ sind laut der Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung ausgewiesen. In Schopfheim sind 31 Ärzte tätig; der Versorungsgrad liegt damit bei 112 Prozent (0,6 Ärzte oberhalb der Sperrgrenze). Rheinfelden ist hingegen „partiell geöffnet“. Eineinhalb Niederlassungen sind laut KV noch möglich.

Deutlich drastischer fällt der Plan-Überhang bei den Kinderärzten aus. Im Landkreis Lörrach sind 18 tätig, womit ein Versorungsgrad von knapp 176 Prozent vorliegt. Knapp sieben Kinderärzte sind somit zu viel im Einsatz, wenn es nach der Bedarfsplanung der KV geht. Nicht viel anders sieht es beispielsweise bei den Fachinternisten aus. Für den südlichen Oberrhein sind 106 Ärzte tätig. Laut der Bedarfsplanung 54,5 zu viel, da aktuell ein Versorgungsgrad von 226,4 Prozent erreicht ist.

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