Kreis Lörrach Möglichst lange zuhause leben

Die Oberbadische
Das neue Pflegestärkungsgesetz II, das am 1. Januar in Kraft tritt, zielt unter anderem darauf ab, die Pflege in den heimischen vier Wänden zu fördern. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Pflegestärkungsgesetz IIReform zielt auf Lebenswirklichkeit ab / Zahl der Betroffenen wird ansteigen

Das Pflegestärkungsgesetz II tritt zum 1. Januar 2017 in Kraft. Damit verfolgt der Gesetzgeber unter anderem das Ziel, die Pflege im häuslichen Bereich zu stärken, wie Jürgen Mihailowitsch, Geschäftsbereichsleiter Versorgungsmanagement, im Rahmen einer AOK-Infoveranstaltung in Lörrach betonte.

Von Michael Werndorff

Kreis Lörrach. Mit dem Gesetz soll der Blick auf die gesamte Lebenswelt der Betroffenen gerichtet werden, erläuterte der Fachmann am Montagabend bei einer Vortragsrunde, an der Karl-Heinz Huber, Leiter der Altenhilfe im Sankt Josefshaus, und Bernhard Späth, Vorsitzender des Kreisseniorenrats, teilnahmen. Moderiert wurde die anschließende Fragerunde von Guido Neidinger, Chefredakteur unserer Zeitung. Im Zentrum der Reform stehe ein neuer Pflegebegriff, der die bisherigen Pflegestufen ablöst und durch fünf Pflegegrade ersetzt. Eine Einteilung erfolgt über die sechs Aspekte Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, psychische Probleme, Selbstversorgung, Bewältigung von krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.Eine Beurteilung des Pflegebedürftigen erfolgt nach wie vor durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, deren Ergebnis nach sechs Wochen vorliegen soll. Außerdem soll ab Januar kein Betroffener finanziell schlechter gestellt werden.

Dabei verwies Mihailowitsch auf einen lebenslänglichen Bestandsschutz. Inwiefern das neue Gesetz ein zukunftsträchtiges Modell ist, soll sich im Laufe der Zeit erst noch zeigen, hieß es weiter, zumal es bei der Einstufung immer Grenzfälle geben werde. Im Übrigen sei eine private Zusatzversicherung ratsam, denn trotz steigender Leistungen blieben immer noch Restkosten übrig. Diese seien allerdings deutlich niedriger als bisher. Neu ist ab 2017 auch, dass jeder Bewohner (außer Bestandsschutz) in der stationären Pflege, unabhängig vom individuellen Pflegegrad, den gleichen Eigenanteil zahlt. „Das geht allerdings zu Lasten von Menschen mit einem niedrigen Pflegegrad“, erläuterte der Experte die Absicht der Politik, die häusliche Pflege zu stärken. Die Frage aus dem Zuhörerkreis, ob es ratsam sei, mit der Antragstellung auf Erteilung eines Pflegerads wegen der Gesetzesreform bis Januar zu warten, verneinte Huber. Die Leistungen würden nämlich rückwirkend erbracht. Dass aufgrund der Reform nun sechs Milliarden Euro zusätzlich für die Pflege zur Verfügung stehen, wertete Späth positiv. Allerdings werde es durch das Gesetz etwa zehn Prozent mehr Pflegebedürftige geben, allein im heimischen Kreis seien das 600 Menschen.

Tagespflegeplätze reichen nicht aus

Angesichts mangelnder Angebote in der Kurzzeit- und Tagespflege – es fehlen laut Späth mindestens 50 Plätze – sei das eine Herausforderung. Schon jetzt müssten Betroffene oft außerhalb des Landkreises untergebracht werden, sagte der Vorsitzende des Kreisseniorenrats. Der größte Pflegedienst, so Späth, seien die Angehörigen selber, da rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen zuhause leben und teilweise über Sozialstationen versorgt würden. „Die Versorgung im eigenen Haushalt ist aber nicht überall gut aufgestellt“, denn die Zahl der pflegenden Angehörigen sinke, sieht Späth Handlungsbedarf. So sei der Aufbau von Versorgungsstrukturen in den Gemeinden ein wichtiger Schritt. Aus Sicht der Leistungserbringer erläuterte Karl-Heinz Huber die Auswirkungen des Gesetzes: Standen bisher körperliche Einschränkungen im Fokus, werde eine Demenz nun besser berücksichtigt. Huber begrüßte zwar die Ausweitung des Angebots im ambulanten Bereich, gleichzeitig sei es generell eine Herausforderung, neue Pflegekräfte zu finden. Die Nähe zur Schweiz mache sich für hiesige Betriebe negativ bemerkbar. Zudem brauche Baden-Württemberg einen neuen Pflegeschlüssel, der bis 2020 stehen soll.

Angesichts der steigenden Zahl an Pflegebedürftigen müssten zukunftsfähige Konzepte entwickelt werden, bei denen der Ausbau niederschwelliger Dienste einen wichtigen Beitrag darstellt, verwies er auf die Bürgerhilfe Fröhnd. Heime werden sich anders orientieren Im Bereich der stationären Pflege müsse man sich aber vom bisherigen Bild eine Pflegeheims verabschieden. Die Heime werden sich anders orientieren, sieht er die palliative Versorgung eine immer größer werdende Rolle spielen. „Der Gesetzgeber will keine Menschen mit Pflegegrad zwei in einem Heim“, kommentierte er die Reform. Dort sollen nur jene versorgt werden, bei denen es partout nicht anders gehe. Dass Betroffene nach der neuen Einstufung zudem 90 bis 100 Punkte erreichen und in den höchsten Pflegegrad rutschen, bezweifle Huber zu dem. Insgesamt gehe es in der Gesellschaft darum, die Infrastruktur für die eigenen Altersjahre jetzt zu gestalten.

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