Kreis Lörrach „Nur mit Unterhose und T-Shirt bekleidet“

Die Oberbadische
In der Kreisklinik setzen die Verantwortlichen auf Achtsamkeit. Im Fall von Arno Baumgartner gab es nach den Schilderungen der Angehörigen hier Mängel. Foto: Marco Fraune Foto: Die Oberbadische

Kreiskliniken gestehen Fehler bei der Pflege eines Patienten ein / Mangelnde Achtsamkeit soll verhindert werden

Von Marco Fraune

Kreis Lörrach. „Nie zuvor kamen wir uns so schlecht betreut vor.“ Die Hinterbliebenen von Arno Baumgartner sind entsetzt über die erfolgte Pflege im Kreiskrankenhaus Lörrach. Pflegerische Professionalität wird den verantwortlichen Mitarbeitern ebenso abgesprochen wie Gespür und Menschenkenntnis. Dass Fehler im Umgang mit Arno Baumgartner passiert sind, gesteht die Klinik ein. Für die Zukunft wird auf eine weitere Intensivierung der Patientenorientierung gesetzt.

Der 81-jährige Arno Baumgartner muss nach einem Treppensturz mit Verdacht auf Hirnblutungen ins Lörracher Kreiskrankenhaus gebracht werden, von wo es aufgrund der Schwere der Verletzungen nach Basel ins Uniklinikum geht. Nach einer Akutphase folgt die Rückverlegung nach Lörrach – und eine für die Familie bis zum heutigen Tag belastende Phase.

Die Schilderungen der Angehörigen: Mehrere Stunden habe ihr Vater außerhalb seines Zimmers gesessen, wo er weder habe schlafen noch sich ausruhen können. „Er war sehr müde und erschöpft“, erinnert sich Tochter Ursula Lüttner. Sowohl mit dem diensthabenden Arzt als auch der Sozialstation habe sie dann positive Gespräche geführt. Einen Tag später der Schock: „Mein Vater saß im Stuhl am Tisch, war aber nur mit einer Unterhose und einem T-Shirt seines Zimmernachbarn angezogen, das drei Nummern zu klein war, obwohl sich in seinem Schrank genügend und der Witterung angemessene Kleidung befand.“ Der Schrank sei allerdings nicht mit seinem Namen beschriftet gewesen, sodass aus dem ersten Schrank einfach die nicht passende Kleidung entnommen worden sei, erklärt die Hinterbliebene. „Er war am ganzen Körper eiskalt, zitterte am ganzen Laib, war komplett verwirrt und hatte Halluzinationen.“ Am Tag danach habe sich die Stationsleitung für den Fehler entschuldigt. Doch: Auch an diesem Tag greifen die Töchter Ursula Lüttner und Astrid Roth, die beide in der Altenpflege tätig sind, ein. Sie vermissen, dass eine Pflegekraft Unterstützung beim Essen bietet.

Anstoß für Kritik liefert für die Hinterbliebenen auch der letzte Tag im Leben von Arno Baumgartner. Das Frühstück steht den Schilderungen zufolge an diesem Tag unberührt vor dem 81-Jährigen, der schläft. „Unsere Kritik, wie man einen tief schlafenden Menschen aus dem Bett nehmen könne, blieb unbeantwortet.“ Am Abend muss Arno Baumgartner mit massiven Hirnschwellungen in die Uniklinik nach Basel, wo er auf der Intensivstation verstirbt. Ursula Lüttner kritisiert nicht die medizinische Versorgung ihres später verstorbenen Vaters, wie die Altenpflegerin ausdrücklich betont. Doch: Auch wenn „die ganzen Missstände“ bei der Pflege ihm keinen körperlichen Schaden zugefügt haben sollten, „so hat es bei uns Angehörigen einen gewaltigen Schaden angerichtet“.

Die Sicht der Klinik: Die Unzufriedenheit sei bereits während des Aufenthaltes von Arno Baumgartner von den Angehörigen geäußert worden, woraufhin Gespräche mit den Verantwortlichen stattgefunden hätten, erklärt Sprecherin Marion Steger unserer Zeitung in einer Stellungnahme. Die Stationsleiterin habe aber den Eindruck gehabt, dass die Familie schlicht nicht zufriedenzustellen war. „Gleichwohl sind, zwar nicht in medizinischer, jedoch in pflegerischer Hinsicht, offensichtlich Fehler passiert.“ Diese seien vor allem mangelnder Achtsamkeit zuzuschreiben, was nicht zu tolerieren sei. Eine Entschuldigung und eine kritische Reflexion erfolgte laut Steger. Auch werde an allen drei Standorten noch intensiver an der Patientenorientierung gearbeitet. Wobei die Klinik dies nicht als Reaktion auf den Einzelfall verstanden wissen will. „Wir wollen nicht reagieren, sondern agieren“, unterstreicht Kliniken-Geschäftsführer Armin Müller mit Blick auf den seit 2011 angestoßenen Achtsamkeits-Prozess im Haus.

Wenn es auf Seiten der Patienten und deren Angehörige Unzufriedenheit gebe, suche das Klinikpersonal das klärende Gespräch, betont außerdem Dr. Jens Wattchow, Chefarzt der für den Fall zuständigen Klinik für Neurologie. „Offensichtlich ist auch in der Kommunikation etwas nicht gut gelaufen.“ Die Chance, den Kontakt mit der Familie Baumgartner weiter zu suchen, sei leider verpasst worden. Medizinisch sei es hingegen wichtig gewesen, den Patienten nicht nur im Bett liegen zu lassen. „Es geht um die aktivierende Frühförderung.“

Dass der 81-Jähriger zu kleine Kleidung angezogen bekam, sei zutreffend, müsse aber eingeordnet werden, schildert Jeanette Reimann, Zentrumsleiterin Pflege. Viele Menschen würden mit unpassender Kleidung aufgenommen, sodass auch auf die Kleiderkammer zurückgegriffen werden müsste. Um aber den Griff ins falsche Kleiderregal zu verhindern, wird neben der bestehenden Nummerierung von Bett und Schrank auch über eine Farborientierung nachgedacht.

Ein Beschwerdemanagement gibt es. Im vergangenen Quartal sei auf speziellen Bögen in Lörrach 180 Mal Lob, 166 Mal Beschwerde zu verzeichnen gewesen, erklärt Steger. Bei negativen Antworten würde dann auf jeden Fall Kontakt zu den Betroffenen gesucht, um Aufklärung zu leisten. Ab April soll es zudem eine kontinuierliche Befragung am Ende des Aufenthaltes geben. Müller: „Die Frage ist nicht, ob wir Fehler machen, sondern wie wir damit umgehen.“

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