Kreis Lörrach Politiker sollen klare Kante zeigen

Die Oberbadische
Cannabis-Verdampfer und Bestätigung der Kostenübernahme in der Hand: Alejandro José Häßler leidet an ADHS. Cannabis kann ihm helfen, ein strukturiertes Leben zu führen. Foto: Michael Werndorff Foto: Die Oberbadische

Cannabis: Familienvater aus Rheinfelden zeigt Schwächen im „Cannabis als Medizin“-Gesetz auf

Eigentlich hätte Alejandro José Häßler allen Grund zur Freude: Der Gesetzgeber hat mittlerweile grünes Licht für eine Behandlung mit Cannabisblüten gegeben, sein Facharzt erteilt ihm Rezepte und die Krankenkasse übernimmt sogar die Kosten. Doch an die Cannabisblüten kommt der 26-jährige Rheinfelder immer noch nicht so einfach.

Von Michael Werndorff

Kreis Lörrach. Häßler wird schnell unruhig, kann keinen strukturierten Tagesablauf organisieren und sich schlecht konzentrieren. Er lebt mit ADHS/ADS – einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung –, für die es zwar Medikamente gibt, die bei ihm aber nicht zum gewünschten Erfolg führen. „Ich bin austherapiert, wie es im Medizinerdeutsch heißt“, sagt Häßler, der wegen der Krankheit seine Ausbildung nicht erfolgreich beenden konnte und auch seinen Führerschein abgeben musste.

Die schulmedizinische Behandlung mit den bekannten Präparaten wie Ritalin oder Medikinet hatten starke Nebenwirkungen. Nur das Inhalieren verdampfter Cannabisblüten könne ihm helfen, ein geregeltes Leben zu führen und den Alltag zu meistern.

„Das haben mir auch Mediziner bescheinigt“, erzählt der junge Mann und deutet auf einen Stapel Unterlagen. Dieser zeugt von einer intensiven Auseinandersetzung mit Behörden, Krankenkassen und dem medizinischen Dienst. So erteilte ihm vor zwei Jahren das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach Paragraf 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes die Erlaubnis, Cannabisblüten für medizinische Zwecke aus der Apotheke zu beziehen. Das sei schon ein wichtiger Schritt gewesen, blickt der Familienvater zurück, aber die Kasse habe sich damals geweigert, die monatlichen Kosten von rund 1800 Euro zu übernehmen. Zudem sei es sehr schwierig gewesen, einen Arzt zu finden, der ihm in Sachen Cannabis weiterhelfen wollte. „Viele haben Berührungsängste mit dem Thema“, meint der ADHS-Patient.

Es folgte ein Antrag für den Eigenanbau von Hanfpflanzen, doch die zuständige Behörde habe angesichts eines Gesetzesentwurfs auf Zeit gespielt, weshalb Häßler kurzerhand den Anbau in den eigenen vier Wänden ohne die erhoffte Genehmigung startete. „Allerdings haben die Behörden davon erfahren“, erzählt Häßler – es folgte eine Gerichtsverhandlung, bei der sich die Richter allerdings milde zeigten.

Dann der erhoffte Durchbruch im März vergangenen Jahres: Der Gesetzgeber verabschiedete das Gesetz „Cannabis als Medizin“, was den Einsatz von Cannabisarzneimitteln als Therapiealternative bei Patienten im Einzelfall bei schwerwiegenden Erkrankungen und die Kostenübernahme regeln soll. Doch es folgte schnell die Ernüchterung. Die Kostenübernahme sei mit dem Gesetz nicht in trockenen Tüchern gewesen: „Der medizinische Dienst hat zunächst immer wieder Wege gefunden, nein zu sagen“, so Häßler, „es dauerte, bis die Krankenkasse die Behandlung übernahm“.

Doch momentan muss Häßler ohne Therapie leben. Warum? „Ich bekomme keine Cannabisblüten, weil die Apotheken keine Lieferungen erhalten.“ Ein Rückschlag für ihn, denn ohne die Wirkung der Hanfpflanze bekommt er wieder die Symptome seiner ADHS-Erkrankung zu spüren. „Ich bin nervös und kann nur beim Computerspielen abschalten oder mich beim Sport abreagieren.“ An eine neue Ausbildung sei auch nicht zu denken, klagt der 26-Jährige.

Die Lieferschwierigkeiten hängen an der hohen Nachfrage, die seitens der Produzenten nicht abgedeckt werden können. Die Bundesregierung habe mit deutlich weniger Anträgen gerechnet – im vergangenen Jahr seien es 13 000 gewesen, berichtet der Rheinfelder. Deshalb komme der Anbau nicht hinterher, und auch weil sich das Lizenzverfahren wegen klagender Firmen hinziehe, erzählt Häßler, der sich regelmäßig mit Medizinern, Betroffenen und Interessengruppen über die aktuelle Entwicklung austauscht.

Viele Apotheken würden mit Wartelisten arbeiten: „Ich habe im Oktober eine Bestellung aufgegeben, aber bis dato noch keine Cannabisblüten erhalten“, sieht er Handlungsbedarf seitens der Politik. Deswegen gehe er auch an die Öffentlichkeit, um auf das Thema aufmerksam zu machen, schließlich seien zahlreiche Patienten betroffen.

„Die Politik muss klare Kante zeigen, denn die Betroffenen brauchen zeitnahe Lösungen.“ Außerdem würden die Patientenzahlen nicht stagnieren, meint Häßler, der sich jetzt in einem Schreiben an alle Parteien und die verantwortlichen Politiker in Berlin wenden will. Auch mit den heimischen Abgeordneten will er das Gespräch suchen, um auf die Situation derer aufmerksam zu machen, dennen die Cannabisblüten helfen können – sofern Apotheken versorgt würden.

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